Zu den liebgewonnenen Ritualen des deutschen Autofahrers gehört der Besuch im Autohaus seines Vertrauens. Dort kann man Autos riechen, fühlen, anfassen, streicheln, mit den Augen berühren und den Klängen von Schaltern, Türen und Deckeln mit dem Ohrometer lauschen. Das gefällt vielen. Aber die Möglichkeiten, einen Mercedes im Autohaus live zu begegnen und mit den Sinnen wahrzunehmen, könnten sich schon bald sehr arg verkleinern. Wie Automotive News meldet, beabsichtige die Mercedes-Benz Group AG im Zuge seiner Neujustierung des Vertriebs die Zahl der europäischen Händler zu verkleinern und seinen Direktvertrieb, der Händler zu reinen Verkaufsagenturen degradiert macht, in weiteren Ländern auszubauen. Das Händlernetz in Deutschland soll bis 2028 um bis zu 20 Prozent verkleinert werden. Mit anderen Worten: Für jedes fünfte Mercedes-Benz-Autohaus läutet das Todesglöckchen.
Dem Bericht zufolge plane Mercedes-Benz 15 bis 20 Prozent seiner deutschen zu streichen. Weltweit werde die Zahl der Händlerbetriebe um 10 % reduziert, heißt es. Parallel dazu werde der Verkauf von neuen Mercedes-Benz Fahrzeugen im Direktvertrieb forciert. Bis zum Jahr 2025 will man 80 Prozent der europäischen Verkäufe über den Ausbau des Direktvertriebs erzielen. Mercedes-Benz hat sich, wie Ende letzten Jahres bekannt gemacht wurde, mit dem europäischen Verband der Mercedes-Benz Händler bereits auf die Einführung des Agenturmodells (Direktvertrieb) in Europa geeinigt. In Deutschland startet der Direktvertrieb schon 2023. Darüber hinaus will der Stern auch beim Online-Geschäft mehr Gas geben. Bis 2025 soll der Online-Bereich einen Anteil am Verkauf von 25 % erreichen. Was verspricht sich Mercedes-Benz davon? Zum einen geringere Vertriebskosten und zum anderen die Möglichkeit, höhere Preise besser durchsetzen zu können!
Das stationäre Autohaus hat seine Schuldigkeit getan. Das Autohaus kann gehen?
Mercedes-Benz Finanzvorstand Harald Wilhelm sieht in dem klassischen Autohaus offenbar kein ausbaubares Potential für zukünftige Geschäftserfolge. Auf einem Event für Investoren sagte er: "Wir wollen mehr Kundennähe und damit eine bessere Kontrolle über die Preisgestaltung haben." Bettina Fetzer, Head of Global Communications Mercedes-Benz tutet in dasselbe Horn: "Wir brauchen weniger große Ausstellungsräume. Wir werden uns von großen Showrooms verabschieden, vor allem wenn wir zum Direktvertrieb übergehen. Das gibt uns ein direktes Management der Kundenbeziehung, und wir werden unsere Kunden noch besser kennen."
Das will Mercedes-Benz - tschüss Autohaus und hallo Direktvertrieb und Online-Verkauf?
Von dem Abschied von vielen Autohäusern verspricht man sich bei Mercedes-Benz nicht weniger, sondern mehr Kundennähe (weil mehr persönliche Daten dann direkt beim Mercedes-Vertrieb ankommen, gesammelt und ausgewertet werden können). Einerseits. Andererseits: Wenn es stimmt, dass, so wie Bettina Fetzer meint, "unsere Kunden immer jünger, wohlhabender und digitaler" werden, dann wird man im Verkauf für diese Klientel mehr digitale Angebote, die 24/7 erreichbar sind, wohl machen müssen. Die Frage ist ja nur, ob die Mercedes-Benz Group nicht das eine tun kann, ohne das andere zu lassen.
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