Im vergangenen Monat stellte die neue Bundesregierung ihre Pläne für den Verkehrs- und Umweltbereich vor. Für die Automobilisten hat der geplante Koalitionsvertrag zahlreiche Veränderungen parat. Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein.
Bleibt die Frage, ob das Ziel der rot-grün-gelben Bundesregierung realistisch ist, denn die bisher in der Kalkulation ebenfalls bedachten Plug-In-Hybriden sollen in diese Regelung nicht eingeschlossen werden. Am 1. Januar 2021 zählte das Kraftfahrtbundesamt gerade einmal 314.094 zugelassene Elektrofahrzeuge in Deutschland. Aktuell ist der Absatz von BEVs und PHEVs so stark wie noch nie. Wurden vor zehn Jahren gerade einmal 2.400 BEVs zugelassen, sind die Zahlen mittlerweile rund hundert Mal so hoch. Inklusive Oktober wurden 2021 weitere 267.653 BEVs zugelassen, was einen Gesamtbestand von mehr als 600.000 Fahrzeugen ergibt. Nach den Plänen der kommenden Regierung müssten in den kommenden acht Jahren mehr als 14 Millionen Elektroautos folgen, was einem durchschnittlichen Jahresvolumen von knapp 1,8 Millionen Fahrzeuge und somit mehr als die Hälfte aller aktuellen Neuzulassungen entspricht.
Im Rahmen der Neuzulassungs-Prognose analysiert das Unternehmen Dataforce die wichtigsten Märkte Europas und ermittelt, wie viele Neuzulassungen in den nächsten fünf Jahren auf die einzelnen Antriebsarten und Marktsegmente (Private, Flottenmarkt, Vermieter, Händler & Hersteller) entfallen werden. Schaut man sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen diese Prognose an, ist das Ziel nach Ansicht der Analysten von Dataforce eher unrealistisch, selbst wenn sich die Förderung stärker von PHEVs zu BEVs verlagert. Momentan kalkulieren die Analysten bis 2030 nur mit knapp neun Millionen neu zugelassenen Elektroautos. Dabei würden noch mehr Fahrzeuge benötigt, um einen Bestand von 15 Millionen zu erreichen, weil im Laufe der Zeit Fahrzeuge exportiert oder verschrottet werden.
Deutschland ist dabei nicht die einzige Nation, die unter Druck steht, die Verkaufszahlen der elektrischen Fahrzeuge nennenswert zu steigern. Ohne die entsprechenden Anreize geht nicht viel; das haben auch einige Nachbarländer in den vergangenen. Jahren kennengelernt. Norwegen hat in Europa nach wie den mit Abstand höchsten BEV-Anteil. Hierfür werden aber auch bis zu 20.000 Euro Förderung pro Fahrzeug aufgewendet. Unter anderem sind Stromer komplett von der Mehrwertsteuer befreit. In Frankreich, den Niederlanden und in Großbritannien gibt es dagegen unterschiedlich ausgestaltete Bonus-Malus Systeme. Zu der Förderung für BEVs kommen also zusätzliche Steuern für größere Autos mit hohem CO2-Ausstoß. Insgesamt steigt so der finanzielle Anreiz für BEVs, ohne dass die Fördersummen ein zu großes Loch in den Haushalt reißen. Auch ein klar kommuniziertes Verkaufsende hat eine deutliche Signalwirkung. Während deutsche Autokäufer noch immer zweifeln, ob sich Elektroautos durchsetzen werden, sind sich die Briten dessen schon sicher. Dadurch beschäftigen sich die Käufer intensiver mit dem Thema und prüfen, schon jetzt, ob ein BEV für sie in Frage kommt.
Ein anderes Thema bleibt die Ladeinfrastruktur, die trotz großer Bestrebungen in Deutschland noch nennenswerte Lücke aufweist, was speziell die Schnellladesäulen betrifft. Im Verhältnis zum gesamten Fahrzeugbestand gibt es in den Niederlanden aktuell 8,3-mal so viele öffentliche Ladepunkte wie in Deutschland. Das Vereinigte Königreich fördert Schnelladestationen über einen 50-prozentigen Investitionszuschuss. Zudem muss ab nächstem Jahr jedes neu geplante Wohnhaus oder Bürogebäude seine Parkplätze mit einer Wallbox ausstatten. So bleibt es abzuwarten, wie realistisch die Ziele der neuen Regierung sind, wenn der Koalitionsvertrag entsprechend umgesetzt wird.
1 Kommentar
Egide aus belgien
5. Januar 2022 16:14 (vor über 2 Jahren)
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