So kann man sich irren! Noch in unserer Vorschau am Mittwoch sahen wir keinen Grund, warum die Silberpfeile nicht auch in Singapur alles in Grund und Boden fahren sollten. Und schon zeigten die Boliden mit dem Stern eine ungewohnt schwache Performance! Zu unserer Ehrenrettung wurden die Teamverantwortlichen und auch die Fahrer von dieser Tatsache offensichtlich genauso überrascht wie wir. Aber der Reihe nach.
Schillerndes Nachtrennen mit besonderen Reizen
Der Große Preis von Singapur ist eines der Highlights im Rennkalender der Formel 1. Das schillernde Nachtrennen bietet neben der beeindruckenden Kulisse auch meist jede Menge Renn-Action, viele Safetycar-Phasen und große Herausforderungen an Mensch und Maschine. Das war auch bei der 2015er Auflage dieses GPs nicht anders. Eine besonders große Challenge schien das Rennen für das erfolgsverwöhnte Mercedes-AMG Petronas F1 Team gewesen zu sein. Vom ersten Training an kamen die Silberpfeile nicht in Gang, ohne dass die Verantwortlichen - Fahrer wie Techniker - eine Lösung fanden. Ferrari und Red Bull, sonst meist locker auf Abstand gehalten, fuhren den Silbernen quasi um die Ohren und hatten im Qualifying teilweise bis zu 1,5 Sekunden Vorsprung.
Ungewohnter Start im vorderen Mittelfeld
So gingen Weltmeister Lewis Hamilton und Nico Rosberg nur von den ungewohnten Startpositionen 5 und 6 ins Rennen. Durch die ersten Boxenstopps konnten sie je eine Position gutmachen, ohne aber ernsthaft in den Kampf um die Führung eingreifen zu können. Dort zog Sebastian Vettel im wiedererstarkten Ferrari souverän seine Bahnen, gefolgt von Daniel Ricciardo im Red Bull. Just zu dem Zeitpunkt, als Lewis Hamilton ein wenig näher zu kommen schien, ließ bei dem Briten die Motorleistung nach und er wurde bis ans Ende des Feldes durchgereicht. Angesichts dessen machte es keinen Sinn, weiter zu fahren und den kostbaren Motor zu riskieren. Im Nachhinein stellte sich eine lose Verbindung im Ladedruckkreis als Übertäter heraus. Entwarung also für die nächsten Rennen.
Chance vertan für Rosberg
Nico Rosberg indess konnte diese seltene Schwäche des Hamilton/Mercedes-Dreamteams nicht wirklich nutzen. Es muss schon frustrierend sein, dass dieser Defekt bei seinem Teamkollegen und Meisterschafts-Konkurrenten ausgerechnet dann auftritt, wenn er selbst nicht um den Sieg mitfahren und somit auch keine volle Punktzahl einfahren kann. Die 12 Punkte für den 4. Platz bringen ihn zwar geringfügig näher heran, aber 25 Punkte hätten seinem Punktekonto deutlich besser getan.
Mit genau dieser gewonnenen Punktzahl ist Sieger Vettel dem deutschen Silberpfeil-Piloten nun im Ranking gefährlich nahe gekommen. Bleibt zu hoffen, das die unerklärliche Schwäche der Silberpfeile nur an der außergewöhnliche Strecke liegt, wie Teamverantwortliche gebetsmühlenartig mutmaßten. Schon in einer Woche in Suzuka wird man sehen, ob man an die starke Form dieser Saison wieder anknüpfen kann. Falls nicht, könnte das unermüdliche Punkte-"Eichhörnchen" Vettel doch noch zu einem unverhofften Meisterschafts-Konkurrenten avancieren!
Nico Rosberg Singapur war ein enttäuschendes Wochenende für mein Team. Wir waren am gesamten Wochenende weit weg von der Pace und Lewis fiel aus. Ich hoffe, dass dies außergewöhnliche Umstände waren und unser Auto nicht zu dieser Strecke und diesen Bedingungen passte. Das Problem ist, dass wir nicht wirklich verstehen, warum Red Bull und Ferrari hier so viel schneller waren. Der Start des Rennens war ein bisschen chaotisch. Auf den Installationsrunden ging mein Motor einige Male aus. Deshalb konnte ich nicht die gleiche Startprozedur durchlaufen, die ich schon 100 Mal geübt hatte. Ich musste mich anpassen, aber es war okay. So konnte ich die Position halten. Platz vier war heute das Maximum. Bis Suzuka haben wir aber viel Arbeit vor uns, um zu verstehen, was falsch gelaufen ist.
Lewis Hamilton Das Rennen lief sehr gut. Für mich fühlte es sich an, als ob ich im Rennen meine Bestform hatte. Ich glaube, ich hatte die Pace, um zu gewinnen. Ich gab alles. Ich fuhr auf den Prime-Reifen und konnte locker mit den Jungs an der Spitze auf Options mithalten. Meine Pace war wirklich gut, als ich anfing Leistung zu verlieren. Ich merkte, dass das Team so hart wie möglich arbeitete, aber diese Dinge passieren einfach manchmal. Es ist Pech für das Team, denn ich fühlte mich richtig gut. Ich war sehr optimistisch. Aber es war besser, das Auto abzustellen und den Motor zu schonen. Wir werden hart daran arbeiten, um herauszufinden, woran es gelegen hat. Aber ich bin nicht besorgt darüber, diesen Motor zu verlieren. Unsere Zuverlässigkeit ist sehr hoch und wir hatten bislang eine unglaubliche Saison. Noch liegt ein langer Weg vor uns und ich weiß, dass ich heute einige Punkte verloren habe. Aber ich war schnell und in Form und ich werde sicherstellen, dass ich so auch in Suzuka zurückschlagen werde!
Toto Wolff, Mercedes-Benz Motorsportchef Ich denke, so etwas nennt man ein charakterbildendes Wochenende. Angesichts unserer Pace und der Art, wie sich das Rennen entwickelt hat, war Platz vier das Maximum, das wir mit Nico erwarten konnten. Bei Lewis versuchten wir alles, um den Leistungsverlust zu beheben, während er noch auf der Strecke war. Aber es gab nichts, was wir hätten tun können und als uns das klar wurde, mussten wir das Auto aus dem Rennen nehmen. Er hat wichtige Punkte verloren. Seit wir am Freitagmorgen das erste Mal auf die Strecke gefahren sind, waren wir im Hintertreffen. Heute wurde es nur ein wenig besser. Es gab Momente im Rennen, in denen die Pace okay aussah, aber die Jungs an der Spitze achteten auch auf ihre Reifen. Deshalb müssen wir mit Blick auf unseren Performance-Level auf dieser Strecke realistisch bleiben. Jetzt müssen wir alles genau analysieren, verstehen, wo wir an diesem Wochenende falsch abgebogen sind, daraus die richtigen Lehren ziehen und dann dieses Kapitel abschließen. Ein schlechtes Wochenende überschattet nicht unsere Leistungen bislang in diesem Jahr. Aber nach einem solchen Wochenende wissen wir, dass es keinen Platz für Selbstgefälligkeit gibt. Wir werden versuchen, am nächsten Wochenende in Suzuka stark zurückzuschlagen.
Paddy Lowe, Executive Director (Technical) Wir haben uns im Qualifying gestern mit der dritten Startreihe sicher nicht in die stärkste Position gebracht. Das bestätigte sich heute in einem langen und schmerzvollen Rennen. Es war ein Fall von Schadensbegrenzung für Nico, der Platz vier ins Ziel brachte und dabei keinen Fehler beging. Lewis hatte ein technisches Problem. Dadurch hatte er keine volle Leistung und wir konnten es nicht lösen, während er auf der Strecke war. Während des Rennens war es schwierig, die Pace zu verstehen, weil die Führenden ihre Pace stark kontrollierten, um eine Zwei-Stopp-Strategie umzusetzen. Alle Versuche unsererseits, eine andere Strategie zu finden, die uns eine Möglichkeit eröffnet hätte, wurden von den beiden Safety-Car-Phasen zunichte gemacht. Diese fielen in ein perfektes Zwei-Stopp-Fenster. Wir werden jetzt unsere Analysen vornehmen, um die Probleme an diesem Wochenende zu verstehen und wollen dann in Japan stark zurückschlagen.
Rennergebnis
1. Sebastian Vettel GER Ferrari-Ferrari 61 laps 2hr 01m 22.118s
2. Daniel Ricciardo AUS Red Bull-Renault +1.4s
3. Kimi Raikkonen FIN Ferrari-Ferrari +17.1s
4. Nico Rosberg GER Mercedes-Mercedes +24.7s
5. Valtteri Bottas FIN Williams-Mercedes +34.2s
6. Daniil Kvyat RUS Red Bull-Renault +35.5s
7. Sergio Perez MEX Force India-Mercedes +50.8s
8. Max Verstappen NED Toro Rosso-Renault +51.4s
9. Carlos Sainz Jr ESP Toro Rosso-Renault +52.8s
10. Felipe Nasr BRZ Sauber-Ferrari +1m 30s
11. Marcus Ericsson SWE Sauber-Ferrari +1m 37.5s
12. Pastor Maldonado VEN Lotus-Mercedes +1m 37.7ss
13. Romain Grosjean FRA Lotus-Mercedes +2 laps
14. Alexander Rossi USA Manor-Ferrari +2 laps
15. Will Stevens GBR Manor-Ferrari +2 laps
WM-Stand
1. Lewis Hamilton, Mercedes AMG Petronas F1 Team, 252
2. Nico Rosberg, Mercedes AMG Petronas F1 Team, 211
3. Sebastian Vettel, Scuderia Ferrari, 203
4. Kimi Räikkönen, Scuderia Ferrari, 107
5. Valtteri Bottas, Williams Martini Racing-Mercedes, 101
6. Felipe Massa, Williams Martini Racing-Mercedes, 97
7. Daniel Riccardo, Infiniti Red Bull-Renault, 73
8. Daniil Kvyat, Infiniti Red Bull-Renault, 66
9. Sergio Perez, Sahara Force India-Mercedes, 39
10. Romain Grosjean, Lotus-Mercedes, 38
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