Die Zahl der Elektroautos nimmt zu, aber eine Umfrage, die das Marktforschungsinstitut Uscale bei den Fahrern von Elektromobilen durchgeführt hat, zeigt, dass der Frust an der Lade-Infrastruktur bleibt. Die Elektrowelle schwappt durch Deutschland. Mittlerweile rollen fast 600.000 Pkws mit Elektroantrieb auf deutschen Straßen, davon sind etwa 309.000 rein elektrische Stromer und knapp 280.000 Plug-in-Hybride sowie etwa 1.000 Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Das ist noch weit von den eine Million Stromern entfernt, die Bundeskanzlerin Angela Merkel für das Jahr 2020 einst vorschwebten, aber allein im letzten Jahr sind die Neuzulassungen sprunghaft nach oben geschnellt. Die Förderungen der Bundesregierung haben ihren Teil dazu beigetragen.
Wenn man von dem ursprünglichen Ziel von einer Million Elektroautos ausgeht, müssten doch genug Ladesäulen vorhanden sein. Sollte man meinen. Doch die vom Marktforschungsinstitut Uscale mit 1.000 Elektromobilfahrern durchgeführte Umfrage zeigt, dass sich im Vergleich zu 2019 im Empfinden der Elektroautofahrer so gut wie nichts verändert hat: Jeder fünfte Fahrer eines Elektroautos ist mit der Lade-Infrastruktur unzufrieden, 42 Prozent antworteten mit „teils teils“ und sechs Prozent sind „sehr unzufrieden“. Ein verheerendes Zeugnis für die Strom-Tankstellen. „Wenn die knappe Infrastruktur nur genauso schnell zunimmt wie die Anzahl der Elektroautos, kann das Problem nicht kleiner werden. Das ist die Ursache für den anhaltenden Frust“, erklärt Uscale-Geschäftsführer Dr. Axel Sprenger.
Ein Blick hinter diese Antworten offenbart das Dilemma der Ladeinfrastruktur: Es klemmt sowohl beim Normalladen als auch beim Schnellladen. Die Reichweitenangst ist entgegen den blumigen Marketingsprüchen der Automobilbauer und der Politiker noch existent. „Ein wenig größer ist der Schmerz bei Thema Schnellladen, weil Schnelllader die Voraussetzung für lange Strecken sind. Abgesehen von Tesla ist das Netz hier noch viel zu dünn“, erklärt Axel Sprenger. Was ist also zu tun? Die Wünsche und Erfahrungen der E-Auto-Nutzer geben eine eindeutige Indikation. Auf der Autobahn nennt gut jeder Zweite neben Standort und Verfügbarkeit die Ladegeschwindigkeit als ein wichtigstes Kriterium für die Wahl der Ladesäule. In der Innenstadt ist die Ladegeschwindigkeit nur für jeden Vierten wichtig und in Wohngebieten betont nur noch einer von 30 diese Eigenschaft. Daraus folgt, dass das bloße Installieren von möglichst vielen Schnellladern nicht nötig ist.
Wie muss also die Lade-Infrastruktur der Zukunft aussehen? Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze: Der eine will das Laden der Elektroautos möglichst nahe an das klassische Tankstellenerlebnis bringen, also so kurz wie möglich. Das bedeutet aber, dass viele leistungsfähige und daher teure Schnelllader bereitstehen müssen. Gerade in Ballungsgebieten wären große Ladeparks mit vielen Stationen die Konsequenz. Die Frage ist, ob das Stromnetz für solche „Hotspots“ ausgelegt ist. Außerdem müssen auch die Batterien der Automobile in der Lage sein, das Highspeed-Befüllen der Energiespeicher zu verkraften. Schnellladen stresst die Batterie und beschleunigt den Alterungsprozess. Dazu kommt, dass das Laden langsamer wird, je voller die Akkus werden. Vor allem zwischen 80 und 100 Prozent wird das Stromtanken zur Geduldsprobe. Dazu kommt, dass die E-Automobile nur selten die angegebene Spitzenladegeschwindigkeit erreichen.
Eine andere Option ist, das Laden des Autos ähnlich zu gestalten, wie das bei einem Smartphone der Fall ist. Das bedeutet: wann immer es möglich ist. Zum Beispiel während des Einkaufens, vor dem Restaurant, wenn man im Fitnessstudio Sport betreibt, am Arbeitsplatz oder daheim. Parkt das Auto eine längere Zeit an einem Ort, müssen die Ladeleistungen auch nicht so hoch sein. Wie das aussehen könnte, demonstriert die Berliner Firma Ubitricity in London. In Wohnbereichen wurden die Ladestationen in die vorhandenen Straßenlaternen integriert. Erste Resultate aus der britischen Metropole zeigen, dass überall dort, wo das Laternenparken samt Laden möglich war, die Anzahl der Elektroautos schnell anstieg. Zudem ist das System vergleichsweise günstig und ohne großen Aufwand zu installieren. Aktuell beträgt die Ladeleistung 3,7 kW, eine höhere ist möglich. Derzeit nimmt Ubitricity einen Anlauf, um seine Ladestationen in Berlin zu installieren. Axel Sprenger befürwortet ebenfalls die Sowohl-als-auch-Strategie: „Das Ziel muss lauten, die für den jeweiligen Ort richtige Ladegeschwindigkeit bereitzustellen, statt flächendeckend Schnelllader zu installieren.“
Neben der Ladegeschwindigkeit gibt einen weiteren entscheidenden Faktor, der für den Auf- und Ausbau der Infrastruktur wichtig ist. Das Finden einer funktionierenden und freien Ladesäule darf nicht zu einer Schnitzeljagd mutieren. Nach wie vor sind zugeparkte Ladesäulen für viele Elektromobilisten ein Ärgernis, danach folgen die Beschilderung und die Bedienfreundlichkeit. Letzteres wird sich wohl erst ändern, wenn man ohne zig Ladekarten auskommt. Dann dürften auch die Preise transparenter sein. Wenn man beim Laden nicht die passende Karte dabeihat, kann das die Kosten in die Höhe treiben. „Das erinnert an die frühen Tage des Mobilfunks mit teilweise absurden Roaminggebühren“, stellt Axel Sprenger fest.
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