Daimler Truck Brennstoffzellen-Strategie

Zweigleisig

Daimler Truck Brennstoffzellen-Strategie: Zweigleisig
Erstellt am 4. Mai 2023

Daimler Truck setzt nicht alles auf die Karte batterieelektrische Trucks, da der Wasserstoff in Verbindung mit der Brennstoffzelle ein bemerkenswertes Comeback feiert. Aber auch da fahren die Schwaben zweigleisig. Wir waren bei einem Hitze-Härtetest auf der Brennerautobahn dabei.

Auf der Brennerautobahn herrscht Alarmstufe rot. Eine riesige weiße Wolke umhüllt einen mächtigen 40-Tonner. Gefahr ist im Verzug. Könnte man meinen. Manche der Autofahrer sehen sich vermutlich schon in einem Megastau stecken, mit Decken und Gulaschkanone. Doch der Schein trügt. Die vermeintliche Rauchwolke ist nichts anderes als Wasserdampf, der entsteht, wenn die Brennstoffzelle unter Last arbeitet. „Mich fragen schon des Öfteren Autofahrer, ob bei dem Lkw etwas kaputt sei“, erzählt Software-Entwickler Felix Kauffmann lachend.

Dass sich die Brennstoffzelle so müht, verwundert nicht. Der Brenner stellt eine große Herausforderung für alle Brummis dar, egal ob Diesel, batterieelektrisch oder mit Brennstoffzelle. Schließlich klettern die Laster bis auf eine Höhe von 1.560 Meter, überwinden dabei rund 760 Höhenmeter bei Steigungen von bis zu 6,1 Prozent. Auch die Effizienz leidet in den Alpen. „1.000 Höhenmeter kostet bei voller Beladung schon mal fünf Kilogramm Wasserstoff“, rechnet der Techniker vor. Die Daimler-Truck-Truppe wagt sich aus gutem Grund auf die bekannte Nord-Süd-Verkehrsader: Das Klettern stresst die Brennstoffzelle. Deswegen gibt es bei dem Mercedes-Benz GenH2 Truck vier Kühlkreisläufe: Drei mit Wasser und einem aus Öl für die 70-Kilowattstunden-Batterie (50 kWh netto). So umspült die Flüssigkeit einzelnen Energiezellen.

Das Brennstoffzellensystem des GenH2 Truck liefert 2 x 150 kW, die Akkus temporär bis zu 400 kW. Bei der Batterie kommen andere Zellen als beim eActros zum Einsatz, die schnell Energie speichern und abgeben können. Das ist nötig, da die Akkus ähnlich wie bei einem Hybridantrieb beim Verbrennungsmotor einspringen müssen, wenn die Leistung der Brennstoffzelle aufgrund der Hitzeentwicklung reduziert werden muss. Die Kühlung ist ohnehin ein großes Thema. Wenn die beiden großen seitlichen Lüfter ihre Arbeit aufnehmen, dringt ein deutliches wahrnehmbares Brummen in die Fahrkabine, untermalt vom hochfrequenten Surren des Turboladers, der die Luft für die Brennstoffzelle verdichtet.

Der Antrieb hat genug Power für den 40-Tonner. Zwei E-Achsen schaffen jeweils 230 kW / 313 PS Dauerleistung (330 kW / 449 PS maximal) dazu kommen zwei Brennstoffzellen mit je 150 kW / 210 PS. Das maximale Drehmoment der beiden Elektro-Motoren beläuft sich auf maximal 2.071 Newtonmetern pro E-Maschine. „Die 380 kW / 517 PS eines klassischen Diesel-Trucks schaffen wir locker“, grinst Felix Kauffmann während der Wasserstoff-Laster die Passhöhe erklimmt. Wie groß die Kraft des Brennstoffzellen-Trucks ist, merken wir, als wir ohne Anhänger unterwegs sind und auf regennasser Fahrbahn die Räder durchdrehen.

Daimler Truck setzt aufgrund des höheren Energiegehalts von etwa 70 kg/m3 hauptsächlich auf flüssigen Wasserstoff, entwickelt aber auch Trucks mit gasförmigem Wasserstoff weiter, um für jeden Markt die passende Lösung parat zu haben. Die Nutzfahrzeugsparte von Great Wall Motor in China tut es den deutschen Nutzfahrzeugspezialisten gleich. Der chinesische Autobauer nimmt rund Eine Milliarde Euro in die Hand und testet bereits 200 Brennstoffzellen-Trucks, die mit flüssigem Wasserstoff betankt werden. Die Konzentration auf flüssigen Wasserstoff hat gute Gründe: Neben der deutlich größeren Reichweite, ist das chemische Element ist im flüssigen Zustand leichter zu transportieren, auch wenn die Temperatur in den Tanks rund minus 250 Grad betragen muss. Unterm Strich ist die Energiebilanz laut Daimler Truck beim gasförmigen und beim flüssigen Wasserstoff identisch, da das Gas immer wieder umgetankt und unter Druck gesetzt werden muss. Zwei Tanks mit je 40 Kilogramm Inhalt bringen den Brummi rund 1.000 Kilometer weit.

Bis die Wasserstoff-Lkws mit dem Stern in der zweiten Hälfte der Dekade auf den Straßen rollen, ist noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten. Die Isolierung der Tanks muss noch besser werden. Durch die Temperaturunterschiede erwärmt sich noch zu viel flüssiger Wasserstoff zu Dampf, der dann verbraucht werden oder abgelassen werden muss, damit der Druck in den Behältern nicht zu groß wird. Auch bei der Infrastruktur schaut es beim flüssigen Wasserstoff noch ziemlich mau aus. Bis zur Serienreife müssen auch die Prozesse bei der Herstellung optimiert werden.

Dass der flüssige Wasserstoff aufgrund der aufwendigen Herstellung im Vergleich zur batterieelektrischen Variante eine schlechtere energetische Bilanz hat, wissen auch die Daimler-Truck-Strategen. Doch das Comeback des chemischen Elements gründet sich auf die Tatsache, dass es als Energieträger geeignet ist und dann hergestellt werden kann, wenn der Strom im Überfluss vorhanden ist. Für Daimler Truck ist die maßgeschneiderte Transportlösung die oberste Maxime. Batterieelektrisch, wenn möglich, aber eben auch Wasserstoff als mögliche Alternative für den Langstreckenverkehr. Aufgrund der von Haus aus größeren Reichweite haben die H2-Trucks ein Plus an spontaner Flexibilität. Doch entscheidend wird sein, was die Kunden wünschen. Wichtig wird auch sein, dass sich das Fahrzeug in maximal fünf Jahren amortisiert, damit das Geschäftsmodell der Logistiker aufgeht.

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