Nirgends ist die Modellpflege schwieriger als bei einer Stilikone. Denn hat man eine solche erst einmal im Programm, will auch diese stetig erneuert werden – ohne dass der spezifische Kick verloren geht. Ist das bei der 3. Generation gelungen?
Sportlich, dynamisch und aggressiv! So würden wir die Design-Merkmale des neuen Mercedes CLS beschreiben. Chefdesigner Gordon Wagener hat mit dem großen Bügeleisen auch beim 4,99 m langen CLS die Linien geglättet und weggelassen, was nicht unbedingt dem Design nutzt. Herausgekommen ist eine kraftvolle, muskulöse Silhouette mit gierigem Haifischmaul. Man könnte auch sagen, im Vergleich zum Vorgänger ist etwas an Eleganz auf der Strecke geblieben, dafür gibt es ab einem Basispreis von 60.571.00 € mehr optische Aggressivität.
Ist die Eleganz auf der Strecke geblieben?
Ja, die Modellpflege einer Ikone ist schon eine besondere Herausforderung. Dabei muss ein Unternehmen überhaupt erst einmal in die Situation kommen, eine solche Ikone im Programm zu haben. Mercedes-Benz hat mit SL, G-Klasse und CLS gleich mehrere im Programm. Was die Sache nicht unbedingt einfacher macht.
2004 präsentierte die Daimler AG auf Basis der E-Klasse ein viertüriges Coupé mit rahmenlosen Türen. Mit großem Erfolg, denn der CLS darf als Begründer eines neuen Segments gesehen werden. Andere Hersteller wie Audi, VW und BMW reagierten relativ schnell und zogen nach. Mercedes-Benz konnte in Summe von den beiden ersten CLS-Generationen knapp 380.000 Einheiten absetzen. Eingerechnet sind hier auch die Shooting Brake Versionen der zweiten Generation (Baureihe 218).
Volle Punktzahl: Das Interieur!
Werfen wir einen Blick ins Innere. Über mangelnden Mumm beim Interieur-Design lässt sich beim neuen CLS der Baureihe 257 nun wirklich nicht klagen. Hier ist alles anders als beim Vorgänger und zwar auf einem Niveau, das der Sonderrolle des CLS im Mercedes Programm vollauf gerecht wird. Okay, das schicke, große Doppeldisplay im hochauflösenden Widescreen-Format (zwei 12,3 Zoll große Displays) muss man zwar gegen 1100 € Aufpreis gesondert ordern, aber wo auch immer das Auge hin wandert, hier wurde mit Liebe zum Detail gearbeitet und mit einem guten Gespür dafür, was echte Klasse ist. Ich würde mal vermuten, so mancher CSL-Fahrer wohnt nicht so elegant wie er fährt. Tatsächlich ist der CLS beim Interieur oft näher an der S-Klasse als an der E Klasse, mit der er technisch betrachtet auch in der dritten Generation in einem deutlich engeren Verwandtschaftsverhältnis steht.
CLS 450 als Wohlfühloase
Herauszuheben wären auf der einen Seite die vorzügliche Lederbestuhlung, die auch auf langen Strecken ein mehr als angenehmes Sitzmöbel ist. Sowie die Güte des verarbeiteten Leders, aber auch der anderen Oberflächen, seien es nun die Zierelemente, oder die der Mittelkonsole. Jeder Schalter, jeder Knopf fasst sich gut an und ist ein kleiner aber feiner Botschafter des guten Geschmacks. Es mag nur ein kleines Detail sein, aber dass die vier zentralen Ausströmer ihre indirekte Beleuchtung der vorgewählten Temperatur anpassen also rot bei warmer und blau bei kalter Luft leuchten, das ist schon genial. Hinzu kommt dass die indirekte Ambientebeleuchtung tatsächlich so etwas wie eine heimelige Wohlfühlatmosphäre verbreitet. In Summe macht das den CLS zu einem Auto, in dem man nicht nur gerne reist, sondern aus dem man auch ungern wieder aussteigt.
Schade: Einen CLS 63 mit V8 gibt es leider nicht
Auch wenn die Dachlinie 1,5 cm tiefer liegt als beim Vorgängermodell, so bietet unser Testwagen nicht nur mehr Kopffreiheit, sondern das Raumangebot scheint insgesamt etwas großzügiger. Das macht sich insgesamt vor allem in der zweiten Reihe bemerkbar. Erstmals ist der CLS ein Fünfsitzer. Erstmals kann die Rückenlehne dreifach umgelegt werden. Ein Sport Kombi namens Shooting Break wird es allerdings vom neuen CLS nicht geben. Genauso wenig wie eine AMG CLS 63 Version mit V8. Wer CLS und AMG fahren will, muß sich mit dem CLS 53 begnügen und auch auf den Achtzylinder verzichten. Die Produktplaner fürchten im Hinblick auf den AMG GT Viertürer nicht zu Unrecht einen Kannibalisierungseffekt.
Der CLS 450 ist mehr Cruiser als Sportler
Wir fuhren den CLS 450 4Matic, dessen Reihensechszylinder nicht nur mit einer turbinenartigen Laufcharakteristik aufwartete, sondern mit seinen 367 PS sehr kräftig zu Werke geht. Im Zusammenspiel perfekt abgestimmt mit dem aktuellen 9-Ganggetriebe, verrichtet der biturbogeladene „Mildhybride" seine Arbeit souverän und ohne aufdringliche Lärmkulisse. Im Sportmodus ist alles eine Spur unmittelbarer, doch akustisch bleibt der Viertürer vergleichsweise dezent. Warum Mildhybrite? Rein elektrisch kann der mit einem 48 Volt-Bordnetz ausgerüstete CLS nicht fahren, noch nicht mal Schrittgeschwindigkeit auf dem Parkplatz. Sein 22 PS starker E-Motor dient als Startergenerator und dank 250 Nm als kraftvoller Anschub beim Beschleunigen. Die Kraftentfaltung geschieht dabei überraschend undramatisch. Dabei beschleunigt der Benz in 4,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 km/h. Da wo es mal nur im Stopp-and-Go-Modus vorangeht, spielen die aktuellen Assistenzsysteme ihre Stärken aus. Im Stau genügt es eine Hand ans Lenkrad zu legen, den Rest übernimmt das Auto. Der CLS ist wie die S-Klasse ausgestattet mit den neusten Assistenzsystemen und kann den Fahrer vielfältig unterstützen. Autonom fahren kann er noch nicht, aber der Fahrer kann sich mit einer Hand am Steuer auf die Rolle des Kapitäns zurückziehen und sein fast autonom fahrendes Auto überwachen.
Die Fotostrecke zum CLS 450 4MATIC
52 Bilder Fotostrecke | Fahrbericht Mercedes-Benz CLS 450 4MATIC: "Früher war mehr Lametta!"
Bei aktiviertem Spurhalteassistent und Tempomat sortiert sich das Auto auf der Autobahn flüssig in den Verkehr ein. Spurwechsel werden mit 180 km/h nach Blinker-Betätigung selbstständig vorgenommen und natürlich wird auch der Abstand zum Vordermann mustergültig eingehalten. Klingt gut und ist auch gut, wären da nicht manchmal irgendwie unmotiviert erscheinende Bremseingriffe. Zum Beispiel wenn in langgezogenen Autobahnkurven eines der Räder die seitlichen Fahrbahnmarkierungen berührt, wäre wirklich alles super. So kann die dann einsetzende Bremsung einem schon mal einen Schrecken einjagen.
Bremst man das Auto nicht entsprechend ab, dann drosseln die Radar basierten Systeme die Geschwindigkeit auch vor Kreuzungen und Kreisverkehren, vor zu schnell angefahrenen Biegungen oder Abzweigungen macht ein Warnton aufmerksam, erfolgt keine Reaktion bremst das Auto ab. Selbst ein kreuzender Fußgänger oder Wildwechsel soll erkannt und eine Vollbremsung vorgenommen werden. Das haben wir nicht getestet. Nicht immer wird eine Unfallvermeidung gelingen, sicher aber Unfallminderung.
Beim neuen CLS fehlt das "gewisse Etwas"
Wer das Zusammenspiel der Assistenzsysteme tatsächlich als Assistenz versteht, aber selbst aktiv sein Auto fährt, darf sich über ein sehr sicheres und kommodes Fahrzeug freuen.
Dieses wird optimal unterstützt durch den permanenten Allradantrieb 4Matic. Ein Sicherheitsplus nicht nur bei Schnee und schlüpfrigen Untergründen, auch bei Regen und einer überwiegend dynamischen Fahrweise hat 4MATIC abgesehen vom Mehrgewicht und höherer Reibung nur Vorteile.
Mit einem Testverbrauch von 11,1 Liter liegt der CLS 450 4Matic leicht über unserer Erwartung. Jetzt bleibt zu beobachten wie sich die dritte Generation CLS in der Nische zwischen AMG GT Viertürer und dynamisierter E-Klasse schlagen wird. Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch mehr Luft.
Die wichtigsten Daten im Überblick
CLS 450 4MATIC |
|
Zylinder Zahl/Anordnung |
6/R |
Hubraum (cm3) |
2.999 |
Nennleistung (kW/PS) |
270/367 |
Zus. Leistung EQ Boost (kW/PS) |
16/22 |
Nenndrehmoment (Nm) |
500 |
Verbrauch kombiniert (l/100 km) |
7,5 |
CO2-Emission kombiniert (g/km) |
178 |
Beschleunigung 0-100 km/h (s) |
4,8 |
Preis ab (Euro) |
70.906,15 |
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