Roadster in Red: Mercedes-Benz SL (R107)

Von astralem Kühlerschmuck und der Leidenschaft für einen schönen Stern

Roadster in Red: Mercedes-Benz SL (R107): Von astralem Kühlerschmuck und der Leidenschaft für einen schönen Stern
Erstellt am 18. November 2011

Sechszylinder, 179 PS, 3,0 Liter Hubraum. Soweit die nackten Fakten. Nimmt man noch den Begriff „Roadster“ hinzu, muss der ambitionierte Kraftfahrzeug-Interessierte damit rechnen, dass ihm Bilder von kleinen, rustikalen zweisitzigen, meist dunkelgrünen Freiluft-Mobilen aus dem Vereinigten Königreich durch den visuellen Kortex perlen. Folgt man der ursprünglichen Definition der Begrifflichkeit, spielt der Fahrspaß eine größere Rolle als der Komfort. Vor dem Hintergrund, kommt man nicht im ersten Anlauf auf den Gedanken, einen astralen Kühlerschmuck auf den entsprechenden Hauben zu vermuten.

Während der konservative, angelsächsische Traditionalist dem Ruf des Purismus gerne folgt, fügt der Alemanne die Tugenden „Zuverlässigkeit“ und „Luxus“ zusammen, garniert es mit dem Hauch des Statussymbols und lässt das ganze denjenigen zusammenschrauben, der bis heute eigentlich „Per aspera ad astra“ auf dem Siegelring stehen haben müsste. Wir sprechen hier vom „SL“. Also von DEM SL, Sie wissen schon!

Sport Leicht Kurzabriss

Nein, nicht der 300SL der Baureihe W198, dessen Türen, geöffnet, an der Tiefgaragendecke Funken schlagen würden. Nicht der kleine Bruder, der 190 SL der Baureihe W121, der mit seiner berühmt berüchtigten Besitzerin. Auch nicht dessen unmittelbarer Vorgänger (W113) , der als „Pagode“ in die Annalen einging. Die Rede ist vom R107, der von 1974 bis 1989 – dann auch mal auch als C-Version mit weit über 230.000 Stück aus dem Württembergischen Ländle rollte.

Fortgesetzt wurde die SL-Reihe dann durch den R129, an dem AMG eine kräftige Herztransplantation vornahm, so dass man sich statt an Lipizaner-zarten 2800 Kubikzentimeter mit 140 über Holzrückerbrutale 7,3-Liter Big Block-Urgewalten mit ofenfrischer 525 PS-Zwölfton-Musik freuen konnte.

Die Siebziger Jahre

Gigantomanie war aber in den Siebzigern und Achtzigern in dem Bereich noch nicht so Mode, und so gibt es zwar einige Varianten in Sachen Hubraum (280 bis 420 bzw. 500) beim „R“ und „C“, die aber „NUR“ mit Hilfe des M110´er Sextetts und später mit dem unkaputtbaren M116-Deutschland-Achter zwischen 177 bis 240 Pferdestärken belebt wurden. Understatement war damals noch das Gebot der Stunde.

Was sich ja auch in der Dekorwahl der Bestuhlung und der Kopfstützen zeigte. Dezentes englisches Tuch weist den grauschläfigen Mann von Welt aus und ist die Inkarnation der Eloquenz in Form von Karomustern. Was auch der Werbefilm allein schon durch die pseudointellektuelle Musikauswahl aus dem Reich des „JATZ“ mit Easy-Listening-Anleihen á la James Last als Kind seiner Zeit verdeutlicht.

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Amerika verunstaltete den Mercedes-Oldtimer

Umso skurriler, dass die meisten dieser Autos dorthin verkauft wurden, wo man das Wort „Untertreibung“ genau ins Gegenteil verkehrt. So wurden alleine Zweidrittel aller Karossen über den großen Teich ins Land der unbegrenzte Möglichkeiten exportiert. Man leistete sich eben damals „Good German Workmanship“.

Was läge da also näher für einen Jung-Amerikaner, der seinen nach oben offenen Erfolgsweg in Form eines Statussymboles mit Tradition aussagekräftig untermauern will, als sich einen SL zu bestellen. Im Land der „Stars & Stripes“ ist die Wahl da schnell getroffen und es kann natürlich nur ein Sternenträger sein.

Bobby Ewing aus „Dallas“ fuhr SL

Waren die Amerikaner in den Sechziger noch sattelfest in Sachen Design, muss man im Falle der US-Version des SL‘s die Stoßstangengeschwüre der Siebziger als klares Indiz für geistige Umnachtung werten. Die runden Doppelscheinwerfer waren auch keine Glanzleistung, es sei denn, jemand hatte sich zum Ziel gesetzt ein Auto, dass wie aus einem Guss zu sein schien, optisch und mit Vorsatz zu misshandeln.

Da in den USA aber auch Schauspieler zu Gouverneuren oder gar Präsidenten gewählt werden, übersahen die Käufer der über 150.000 Stück dann wohl doch die eher an Rangierlok-Puffer erinnernden Blechgewürge. Naja, und immerhin hat das Auto in einer nicht ganz unbekannten Serie den Sympathieträger No.1 durch unzählige Episoden geschaukelt. Denn Bobby Ewing fuhr in „Dallas“ nichts Geringeres als einen signalroten R107.

„Keep it cool. Be Mercedes!“

Der hier etwas ausführlicher bebilderte 300 SL, Baujahr 1986, zeichnet sich durch seine Naturbelassenheit aus und besticht durch den extrem guten Zustand. Einziges drolliges Detail bei dem Sechszylinder-Roadster des Herrn Schulze :

Die recht rustikal angeflanschte Anhängerkupplung. Oft belächelt oder hämisch kommentiert, zeigt der Zughaken am SL-Hintern, dass der Erstbesitzer in Sachen Understatement alle Hausaufgaben gemacht hatte. Warum also nicht mit einem Roadster das Kleinpferd der Enkeltochter zum lokalen Pony-Reiturnier chauffieren? Mit einem G-Modell kann das ja jeder und der Landadel trägt eben lieber gelochte Feinstleder-Handschuhe als Gummistiefel. Die braucht der SL-er auch nur dann, wenn er seine 8-Meter-Holzrumpf-Schaluppe in List bei Nieselregen vertäut. Deutsche Noblesse hat eben einen Namen. Und der fängt mit M an. In diesem Sinne. „Keep it cool. Be Mercedes!“



Text & Fotos: Michael Papendieck,

http://www.blendeeinsacht.de

Mercedes-Fans Facts

13 Bilder Fotostrecke | Roadster in Red: Mercedes-Benz SL (R107): Von Astralen Kühlerschmuck und der Leidenschaft für einen schönen Stern #01 #02 Mercedes-Benz 300 SL (R107)



Antrieb: Reihensechszylinder, ohc, 2962 ccm, 179 PS, mech.- elektron. Einspritzung KE III-Jetronic, 5- Gang, auf Wunsch 4-Stufen Wandler-Automatik

Fahrwerk: Vorne Einzelradaufhängung mit Doppel- Querlenker, hinten Einzelradaufhängung Schräglenker, Scheibenbremsen rundum

Räder: 15"-Leichtmetallfelgen mit 205/65 VR 15

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