Die Geschichte eines Mercedes-Benz 190 SL (W121 BII)

Jock, ein Autoleben (Teil 1)

Die Geschichte eines Mercedes-Benz 190 SL (W121 BII): Jock, ein Autoleben (Teil 1)
Erstellt am 30. März 2022

Endlich werden die Tage wieder länger, das winterliche Aufbocken dürfte bald vorbei sein. Wie war das doch im letzten Herbst, als die trüben und langweiligen Wintertage mit einer Zeit ohne Bewegung vor einem lagen? Man kam ins Grübeln, die Tage wurden kürzer, ´mal wieder war eine Saison vorbei. In den letzten beiden Jahren kaum noch Ausfahrten, Veranstaltungen schon gar nicht. Man dachte nach über das Leben wie es in den letzten 35 Jahren war ohne das, was sie heute Corona nennen. Erinnerungen kamen hoch an vieles, was da so durch den Auspuff gesäuselt, gebrummt, manchmal auch geknallt hatte...

Über 60 bin ich nun schon, 1960 ausgeliefert in feuerwehrrot, Verdeck und Innenausstattung schwarz. 190 SL steht hinten auf dem Kofferraum und meine Front beherrscht der Stern der Sterne. Einige Jahre, an die ich mich schon gar nicht mal mehr so recht erinnern kann, habe ich hinter mir (doch nicht etwa altersbedingte Gedächtnisschwäche?). Im Oktober 1978 wurde ich schon einmal für fast zehn Jahre stillgelegt, aber dafür zogen damals im Spätherbst die letzten 35 vorbei, als wär´ alles gestern erst gewesen.

Den kannst Du nehmen!

Per Zeitungsannonce hatte mich jemand Neues entdeckt und führte ab jetzt bei mir Regie über Lenkrad und Gashebel. Er tauchte eines Märztages zusammen mit einem Nachbarn, seinerzeit Straßenwachtfahrer beim AVD, in der Großgarage, wo man mich untergebracht hatte, auf. Das Urteil des Engels der Straße lautete: “Den kannst Du nehmen“, und so nahm mein weiteres Schicksal seinen Lauf.

Fahrbereit war Jock noch nicht

Na ja, so einfach auf der Straße mit dem Gas spielen konnte mein neuer Dirigent, um ehrlich zu sein, noch nicht. Per Trailer ging es in meine neue Umgebung, das mit dem fahrbereit sein musste doch noch eine Weile warten. Während der langen Standzeit waren mir meine mechanische Uhr, das Originalradio und mein Cabrioverdeck abhanden gekommen. Mein Dach war nun ein schwarzes Hardtop mit kleiner Rückscheibe, die eigentlich gar nicht zu mir passte. Wenn es doch wenigstens die zu meinem Baujahr gehörende Panoramaausführung wäre...

Warum heißt der rote SL denn nun Jock?

Zunächst verabschiedete sich mein neuer Mann am Gas für vier Wochen zu einer Camping Rundreise nach Südafrika. Dort, wie er mir später anvertraute, war ihm ein Buch über einen Hund mit dem Titel “Jock of the Bushveld“ über den Weg gelaufen, und er hatte beschlossen, mich, den Neuen, „Jock“ zu nennen. Ob das wohl etwas mit dem Zusammenhang zwischen Hunden und Treue zu tun hat? Aus meiner Sicht sollte das für die Zukunft auf jeden Fall passen!

190 SL oder doch lieber Ponton Cabrio?

Aber der Gedanke an Treue war bei Herrchen damals wohl noch nicht so tonangebend, als ihm in Johannesburg ein toprestauriertes weißes Ponton Cabrio über den Weg lief. Um seinen Wankelmut zu stärken, war es dann auch noch für vergleichsweise kleines Geld zu haben. Aber Gott sei Dank blieb es anschließend doch nur bei einigen Briefwechseln mit dem Anbieter. Lösung des Transportproblems und Gedanken über den Bau einer weiteren Garage verzögerten das Ganze so lange, bis das gute Stück anderweitig verkauft war. Gewonnen! Ich blieb der Einzige Oldie im Stall.

Schrauberisches Geschick ist gefragt

Zunächst waren dann bei mir erst einmal so einige Wehwehchen zu beheben, aber zu meinem Glück stellte sich heraus, dass mein neuer Boss mit Werkzeug nicht so ganz ungeschickt war. Später erzählte er mir einmal, wie er in jungen Jahren bei einem Onkel, der eine Spedition besaß, zum Schrauben gekommen war. Fast jede freie Minute, die nicht dem Fußballspielen mit seinen Kumpels gehörte, verbrachte er dort entweder mit dem Onkel auf dem LKW Bock oder bei den Monteuren in der Werkstatt. Mit ihrer tatkräftigen Hilfe wurden dann, als die Führerscheinprüfung bestanden und der graue Lappen in seiner Hand waren, nacheinander ein Messerschmitt KR 250, natürlich ein VW (Ovali), ein Fiat 600 und ein Opel Olympia verarztet. Geld war im Studium immer knapp, aber die Einnahmen aus Musikmachen und Hilfsassistentenstelle reichten zumindest für die Ersatzteile und wenn nicht, sprang auch schon ´mal der Onkel ein. Ein Motorenpraktikum an seiner TH, in dem ein VW Motor auseinander- und wieder zusammengebaut wurde, war eine gute Basis für weiteres schrauberisches Geschick.

Zurück auf die Straße!

Doch nun wieder zu mir: Die Zukunft sah, nachdem ich einige Zeit vorher schon kurz vor dem Verschrotten gestanden hatte (daher die Erinnerungslücken -siehe oben-?), jetzt plötzlich wieder nach künftiger Fahrfreude aus. Nach einigen Schrauberwochenenden, -feierabenden und nicht wenigen -nächten war es dann so weit, und ich durfte wieder auf die Straße. Nachdem meine Bremsen fast bis zum Glühen heißgefahren waren (ich hatte in kaltem Zustand beim Bremsen vorn immer den Drang nach rechts -nichts Politisches!-), überstand ich überglücklich den TÜV.

Ein Uhrmacher nimmt sich den Vergaser zur Brust

Aber die alten Knochen wollten nicht mehr so recht. Besonders meine Lunge, sprich Vergaser hatte ganz schön das Röcheln, in Fachkreisen nennt man das Falschluft. Ich ruckelte und schüttelte mich bei jedem leichten Gasstoß, aber Krücken waren für mich eben nicht vorgesehen.

Was tun? Mein neuer Boss schickte mich kurzerhand nicht zum Doktor, sondern zu einem Vergaserspezi, von Hause aus Uhrmacher. Grundüberholt und in äußerlichem Hochglanz baute der Herr der Schraubenschlüssel meinen 44 PHH wieder ein und siehe da, die Straße hatte mich mit neuer Lebensfreude wieder.

Classic-analytics präsentiert die Wertentwicklung zum 190 SL

Die Wertentwicklung des 190 SL wird präsentiert von classic-analytics.

Ja und dann das Knirschen und Rieseln überall in mir. Vielleicht doch das Alter, und der Kalk rieselte schon? Aber so schlimm war es dann doch nicht. Bevor ich vor dem letzten Verkauf mein neues feuerwehrrot bekommen hatte, hatte man mich unter fürchterlichen Sandbeschuss genommen. Meinem Rost, den ich damals schon recht stark angesetzt hatte, war das gar nicht recht, aber meinem Erscheinungsbild nach dem Lackieren hatte es erheblichen Auftrieb gegeben. Staubsaugen ohne Ende war angesagt. So ging es dann auf in ein neues Leben, und ich war gespannt, was mir da so alles unter die Räder kommen sollte… (FWT)

Fortsetzung folgt!

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