Man sollte nie zu früh ausschalten! Während der Große Preis der Formel 1 in Silverstone über weite Strecken eher ereignislos verlief und das Silberpfeil-Duo zu einem sicheren Doppelsieg unterwegs zu sein schien, spitzte sich die Lage aufgrund von Reifenproblemen in den letzten drei Runden dramatisch zu.
Überlegene Leistungen von Auto und Piloten
Silverstone ist das Heimspiel des Mercedes-AMG Petronas Motorsport F1 Teams. Nach der Überlegenheit der letzten Rennen kam das Team auch hierher als die klaren Favoriten. Diese Rolle unterstrichen Lewis Hamilton und Valtteri Bottas bereits im Qualifying, in dem sie die klaren Startplätze eins und zwei herausfuhren.
Auch der Rennstart verlief ganz nach dem Geschmack der Silberpfeil-Piloten. Beide konnten ihre Positionen halten und dem übrigen Feld davonziehen. Auch eine Safetycar-Phase änderte an der Überlegenheit der schwarzen Boliden und ihrer Piloten nichts.
Bottas saß seinem Teamkollegen allerdings eng im Nacken und übte das ganze Rennen einigen Druck auf den amtierenden Weltmeister aus. Dieser konnte dem zwar widerstehen, musste aber seinerseits ziemlich pushen. Eine Situation, die beiden später noch ernsthafte Probleme einhandeln sollte.
Reifendrama in den letzten Runden
Zuerst erwischte es Valtteri Bottas. Der Finne meldete bereits einige Runde vor Schluss Vibrationen an der Vorderachse, die auf verschlissene Reifen hindeuteten. Trotz aller Versuche, die Reifen zu schonen, ereilte den Piloten drei Runden vor Schluss ein kapitaler Reifenschaden. Das geschah zum ungünstigsten Moment, da er gerade an der Boxeneinfahrt vorbeigefahren war und so eine komplette Runde auf drei Rädern absolvieren musste. Dadurch verlor er derart viel Zeit, dass er nach dem Reifenwechsel aus den Punkterängen fiel und nur als 11. ins Ziel kam. Das war ein harter Schlag für den Finnen, der in der Fahrer-WM nun deutlich zurückliegt.
Verfolger Max Verstappen reagierte sofort und ließ sich vorsichtshalber ebenfalls neue Pneus aufziehen, um nicht dasselbe Schicksal wie Bottas zu erleiden. Eine Entscheidung, die er im Nachhinein sicher bereut hat, denn kurz vor Schluss meldete der führende Lewis Hamilton ebenfalls Vibrationen. Und auch ihn ereilte in der letzten Runde (!) ein Reifenplatzer. Hamilton schleppte den waidwunden Silberpfeil um die Strecke, während Verstappen von hinten in Windeseile aufholte. Durch den Umstand, dass Hamilton seinen Reifenplatzer etwa in der Mitte der letzten Runde erlebte, rettete der Engländer den Sieg mit wenigen Sekunden Vorsprung ins Ziel.
Lewis (88 Punkte) führt die Fahrer-Weltmeisterschaft mit 30 Zählern Vorsprung vor Valtteri (58 Punkte) an. Das Mercedes-AMG Petronas F1 Team (146 Punkte) liegt in der Konstrukteurs-
Lewis Hamilton
So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt. Die letzte Runde war eine der größten Herausforderungen, die ich jemals zu meistern hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt lief alles relativ rund. Die Reifen fühlten sich großartig an und ich konnte auf sie Acht geben. Als ich hörte, dass Valtteri einen Reifenschaden hatte, sah ich mir meine Reifen an und alles schien okay zu sein. Dennoch steckte ich etwas zurück. Dann war plötzlich auf der Geraden keine Luft mehr im Reifen. Das war eine ziemliche Schrecksekunde, nach der ich nur noch versuchte, die Geschwindigkeit aufrecht zu erhalten, ohne das Auto zu beschädigen. Bono hat mir die Abstände durchgegeben und ich glaube, zu diesem Zeitpunkt waren es noch 30 Sekunden. Aber der Vorsprung schmolz schnell und ich dachte mir: "Wie weit ist es noch bis zum Ende der Runde?" Zum Glück ist es uns gelungen, das Auto über die Ziellinie zu bringen. An diese letzte Runde werde ich mich gewiss immer erinnern. Ich bin so dankbar, dass ich es geschafft habe und den Sieg verteidigen konnte. Es war schwierig, nachher auf dem Podium zu stehen und keine Zuschauer zu sehen. Aber hoffentlich habe ich alle stolz gemacht, die mich von Zuhause aus angefeuert haben.
Valtteri Bottas
Das ist ein enttäuschendes Ergebnis für mich. Ich hatte viel Pech mit dem Reifenschaden, denn bis dahin war alles in Ordnung. Ich versuchte, Lewis unter Druck zu setzen, aber wir wussten, dass es ein langer Stint auf den harten Reifen sein würde. Gegen Ende nahmen die Vibrationen am linken Vorderreifen immer stärker zu. Ich konnte keine Trümmerteile sehen, meldete die Vibrationen und begann damit, auf die Reifen zu achten. Aber dann hatte ich plötzlich auf der Start-/Zielgeraden einen Reifenschaden und musste eine komplette Runde zurücklegen, bevor ich an die Box fahren konnte. Das hat mich sehr viel Zeit gekostet. Ich bin mir sicher, dass wir aus diesem Wochenende sehr viele Lehren ziehen können, die wir nun in das kommende Rennwochenende mitnehmen werden.
Toto Wolff
In der Vergangenheit wurden wir dafür hinterfragt, wenn wir gesagt haben, dass ein schnelles Auto nicht zwangsläufig zu einem ungefährdeten Doppelsieg führt. Das heutige Rennen hat gezeigt, wie grausam der Motorsport sein kann. Valtteri hat einen wichtigen zweiten Platz für die Fahrer-Weltmeisterschaft und das Team wertvolle Punkte für die Konstrukteurs-Wertung verloren. Gleichzeitig war der Vorsprung von Lewis groß genug, um als Sieger über die Ziellinie zu fahren. Aber wir hatten das Glück, dass Red Bull am Ende noch einmal an die Box gegangen ist. Wenn sie das nicht gemacht hätten, wären aus einem scheinbar sicheren Doppelsieg die Plätze zwei und elf geworden. Deshalb werden wir auch weiterhin skeptisch bleiben, denn wir wissen zwar, dass wir ein schnelles Auto und einen starken Motor haben, aber wir werden nichts als selbstverständlich ansehen, bis wir an jedem Rennwochenende die Ziellinie überquert haben.
Andrew Shovlin
Es ist sehr frustrierend, ein Auto in den letzten Runden eines Rennens zu verlieren und Valtteri hat das heute am eigenen Leib erfahren müssen. Das Timing hätte nicht schlechter sein können, da er gerade Kurve 16 angebremst hatte. Dadurch musste er eine komplette Runde auf drei Rädern zurücklegen und fiel somit aus den Punkterängen heraus. Lewis hatte mehr Glück: nachdem Max sich gerade einen frischen Reifensatz geholt hatte, um die schnellste Runde anzugreifen, war der Vorsprung von Lewis zum Zeitpunkt seines Reifenschadens auf über 30 Sekunden angewachsen. Glücklicherweise reichte das aus, damit Lewis den Sieg verteidigen konnte. Trotz unseres Frusts über den Ausgang des Rennens können wir mit unserer Arbeit hier zufrieden sein. Das Auto hatte sowohl im Qualifying als auch im Rennen eine super Pace und wir konnten heute relativ rasch einen Vorsprung auf unsere Konkurrenten herausfahren. Nächstes Wochenende erwartet uns eine andere Herausforderung auf weicheren Reifen und bei viel höheren Temperaturen. Wenn wir unsere Eindrücke bei wärmeren Bedingungen hier und in Österreich bedenken, könnte uns das vielleicht weniger liegen. Gleichzeitig freuen wir uns aber auf diese technische Herausforderung und stellen uns ihr gerne. In den kommenden Tagen werden wir hart arbeiten, um sicherzustellen, dass wir konkurrenzfähig bleiben.
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