In den goldenen Zeiten der Formel 1 aus deutscher Sicht versammelte sich gefühlt ganz Deutschland Sonntags am Fernseher, um Schumi, Vettel & Co. beim Imkreisfahren zuzusehen. Der Sender RTL, der die Formel 1 über Jahrzehnte exklusiv im Free TV übertrug, konnte einen Quotenrekord nach dem nächsten feiern. Diese Zeiten sind lange vorbei. In diesem Jahr wird die Formel 1 erstmalig in Deutschlandwohl nur noch gegen Bezahlung bei Sky oder dem Ableger WOW live zu verfolgen sein. Die Gründe sind teilweise erschreckend.
Nach dem Ende des Schumi-Booms und der Erfolgssträhne von Sebastian Vettel bei Red Bull ging es mit der Formel 1 Leidenschaft in Deutschland steil bergab. Nachdem unsere in dieser Rennserie einst so führende Nation auch noch den GP im eigenen Lande verlor, schalteten immer weniger Zuschauer die aufwendigen Live-Übertragungen bei RTL ein. Die viele Werbung während der Rennen tat ein Übriges, auch noch die letzten Fans zu vergraulen.
RTL macht lieber Fußball und NFL
In der Folge sah RTL keinen Grund mehr, die extrem teuren Rechte zu erwerben und kaufte bei Exklusivanbieter Sky nur noch die (für Sky von der F1 vorgeschriebene) Sublizenz für vier Liverennen. Aber auch das lohnte sich offenbar nicht mehr, sodass RTL für 2023 gar keine Übertragungen mehr bietet und so die deutschen TV-Zuschauer im Regen stehen lässt. RTL konzentriert sich lieber auf Fußball und die neuen, teuer erworbenen NFL-Rechte.
Nun sollte man meinen, dass die Nachfolger von RTL Schlange stehen würden, um diese vier Rennen zu übertragen. Schließlich sind die Quoten zwar im Vergleich zu früher deutlich schlechter, für hohe Werbepreise im Vergleich zu anderen Sendungen am Sonntagnachmittag reicht es aber trotzdem noch. Aber weit gefehlt. Sky hat riesige Probleme, einen Abnehmer für die vorgeschriebenen vier Free-TV Rennen zu finden. Dabei hätte die Pro7/Sat1 Gruppe mit "ran" durchaus einen gut eingeführten Motorsportkanal, der neben der DTM auch die Formel E überträgt. Mehr möchte man offenbar aber nicht.
ARD/ZDF mit peinlicher Absage
Die öffentlich/rechtlichen Sender ARD/ZDF, die vor der Ära des Privatfernsehens die Formel 1 in die deutschen Wohnzimmer gebracht haben, finden einen ganz anderen, hanebüchenen Grund für die Absage. Eine Rennserie mit Verbrennungsmotoren passe nicht zur Philosophie der öffentlich/rechtlichen Anstalten. Welche Philosophie gemeint war, bleibt ebenso im Dunkeln wie die Frage, wie dieser Maßstab bei anderen Sportarten wie der Fußball-WM in Qatar, die aus ganz unterschiedlichen Gründen problematisch war, angelegt wurde. Es entsteht der Eindruck, als möchte man sich möglichst publikumswirksam vor der F1-Möglichkeit drücken und gleichzeitig noch etwas Greenwashing betreiben. Das ist eigentlich nur noch erbärmlich.
Welche Alternativen bleiben noch? Sky könnte die vorgeschriebenen vier Rennen selbst frei empfangbar zeigen, würde dann aber nichts an der Sublizenz verdienen. Alternativ käme Servus TV, eine Red Bull Tochter, in Betracht. Dort ist man grundsätzlich immer an interessanten Sportarten interessiert. So gehört die Moto GP fest zum Programm von Servus TV. Aber hinsichtlich Formel 1 gibt man sich bedeckt. Ein anderer Spartensender, der sich "Home of Motorsport" auf die Fahnen geschrieben hat, schlug bereits zu: Sport 1 wird nach jedem Rennen in Zusammenarbeit mit Sky eine einstündige Highlightsendung bringen. Live überträgt Sport 1 allerdings auch nicht. Glücklich kann sich schätzen, wer im direkten Grenzgebiet zu Österreich oder der Schweiz wohnt. Dort schämt man sich nicht für den tollen Formel-1-Sport und überträgt frei empfangbar und live auf ORF und SWF. Allerdings nur offiziell innerhalb der Landesgrenzen.
Bleibt abzuwarten, ob sich noch ein Partner findet. Viel Zeit ist nicht mehr, denn am Sonntag geht das erste Rennen in Bahrain über die Bühne. Immerhin ist mit Rückkehrer Nico Hülkenberg noch ein Deutscher am Start. Wer das live sehen möchte, dem bleibt wohl nur der teure Schritt zu Sky oder WOW.
Keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar