Vom Young- zum Oldtimer

1987 Mercedes-Benz 300 SL (R107)

Vom Young- zum Oldtimer: 1987 Mercedes-Benz 300 SL (R107)
Erstellt am 1. September 2016

Wie gerade erst eingefahren, so wirkt der 1987 auf die Straße gekommene 300 SL (W 107) von Gerhard Harnisch. Erst 50.000km hat er auf der Uhr, also trotz seines Alters ein Junger Stern. In signalrot (DB 568) steht er da und glänzt, als habe er gerade die Auslieferung hinter sich. Einer aus der langen Geschichte der 107er Baureihe. 1971 auf den Markt gekommen, lief dieser Typ bis 1989 bei Mercedes-Benz von den Montagebändern, allein von der offenen Version R 107 wurden 237.287 Stück gebaut. Das ist sowohl bei der Bauzeit als auch bei der Stückzahl Rekord im SL Segment.

Der 107er war mit seinen horizontalen Breitbandscheinwerfern und seinen breiten, gerippten Rücklichtern für die Marke mit dem Stern in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts Stil prägend. Als Erste folgte die 1972 erschienene S-Klasse (W 116) dieser Linie. Ihr Designer war Friedrich Geiger, von dem bereits die Legenden 500 K und 300 SL Flügeltürer stammten. Geiger ist wohl auch dafür verantwortlich, dass dem Neuling dank der Neigung und der stabilen Auslegung der Frontscheibe das bei den meisten anderen Cabrioherstellern dieser Zeit übliche "Erdbeerkörbchen" erspart blieb.

Seit 1985 bot Mercedes Benz den 107er als 300 SL, wie Gerhard ihn fährt, an. Antrieb ist der Dreiliter-Sechszylinder M 103 mit 180 PS in der Kat-Ausführung. Er hat einen Querstrom-Zylinderkopf und eine Bosch KE Jetronic Einspritzung sowie einen Grauguss- Motorblock und einen Aluminium- Zylinderkopf mit zwei Ventilen pro Zylinder, die V-förmig angeordnet sind. Kipphebel mit Hydrostößeln führen zur kettengetriebenen einzelnen Nockenwelle. Zu dieser Bauweise gegenüber der doppelten Nockenwelle war man 1984 zurückgekehrt, weil das Aggregat wesentlich leichter und in der Herstellung kostengünstiger war als der Vorgänger. Außerdem ließen sich aktuelle Ziele wie Katalysatoreinsatz und niedriger Verbrauch mit dieser Konstruktion leichter erreichen.

Begeistert ist Gerhard von der Laufruhe des Aggregats. In Fachkreisen spricht man von einem der laufruhigsten Sechszylinder-Motoren, die je gebaut wurden. Ja, und dann sind da noch das sonstige Ambiente im Innenraum wie Zebraholzleisten und der satte Klang der sich schließenden Türen oder das Fahrverhalten, das insbesondere in der Hinterachse gegenüber dem Vorgänger, der Pagode, durch Verwendung der aus dem /8 stammenden Schräglenkerkonstruktion, Diagonalpendelachse genannt, nochmals wesentlich verbessert wurde. Das alles ergibt eben eine automobile Persönlichkeit mit Stern.

Und wie ist Gerhard zu seinem Auto gekommen? 2008 stieß er auf seiner Suche zunächst auf einen Händler, der ein Coupé anbot. Gerhards Wünsche gingen jedoch in Richtung Cabrio. Trotzdem schien er aber wohl nicht so ganz an der falschen Adresse zu sein. Der Händler meinte, jemanden aus seinem Bekanntenkreis ansprechen zu können, der eventuell ein solches Auto verkaufen wolle. Tatsächlich hatte Gerhard nicht vergeblich auf einen Rückruf gewartet. Der Wagen war in zweiter Hand, Erstbesitzer war ein Mercedes-Benz Mitarbeiter aus Köln. Die Jahreszahl der Erstauslieferung lässt da an die damals beliebten Jahreswagen denken. Gerhard sah das Auto, das genau seinen Vorstellungen entsprach und dann…

Das Schmuckstück hatte, man glaubt es kaum, gerade einmal 22.000 km gelaufen. Gerhard war natürlich trotz des Spitzenzustandes des Autos skeptisch, aber auch Gutachter bestätigten die Echtheit der Verkäuferangabe. Auch heute ist der Wagen, wie nicht anders zu erwarten, im unveränderten Originalzustand. Durchrostungen laufen unter Fehlanzeige, Lack und Chrom sind im Bestzustand. Gefahren wird der Hingucker, wie bei einem Roadster sinnvoll, lediglich im Sommer. Gerhard liebt das Cabriofahren jedoch so sehr, dass man bei entsprechendem Wetter getrost von Alltagseinsatz reden kann.

Solch ein Auto muss natürlich auch über weite Strecken gefahren werden. Lange Cabrioreisen waren das, wovon Gerhard schon immer geträumt hatte. Ziele wie die italienische Adria und die Toskana wurden angesteuert, auch die Schweiz stand inzwischen auf dem Tourenprogramm, das er mit seiner ebenso cabriobegeisterten Frau abgespult hat.

Darüber hinaus verbindet Gerhard inzwischen seine Cabrioliebe mit seinem organisatorischen Talent. Im Mercedes-Benz R/C 107 SL-Club, der seit mehr als 25 Jahren besteht und insgesamt mehr als 4.000 Mitglieder zählt, ist er Leiter des Regionaltreffs Mönchengladbach. Dieser hat inzwischen ca. 50 Mitglieder. Monatlich treffen sich unter Gerhards Leitung etwa 25 Mitglieder und selbstverständlich deren begeisterter 107er-Anhang zu Clubabenden, auf denen der 107er stets das Hauptgesprächsthema bilden dürfte. Man tauscht wertvolle Tipps aus, plant die jährlich etwa fünf gemeinsamen Ausfahrten, die teilweise mehrtägig sind, lässt sich über interessante Themen rund um den Oldtimer informieren und ist eben unter Freunden mit dem gleichen Hobby. Nächstes Ziel sollen, wie Gerhard erzählte, übrigens die Schönen Sterne in Hattingen sein, obwohl er dort zu seinem Bedauern nicht teilnehmen kann. Aber dafür wird es für Gerhard und seine Frau sicherlich noch manch andere erlebnisreiche Stunde mit Stern geben.

Text und Fotos: Friedrich W. Thüner

32 Bilder Fotostrecke | Vom Young- zum Oldtimer: 1987 Mercedes-Benz 300 SL (R107) #01 #02
Mercedes-Fans Facts / Technische Daten

1987 Mercedes-Benz 300 SL (R107)

Motor: M 103, 2.962 ccm, 180 PS; Antrieb 4-Gang Automatik, Hinterradantrieb
Fahrwerk: Einzelradaufhängung, vorn Doppel-Querlenker, hinten Schräglenker / Diagonal-Pendelachse;  Scheibenbremsen
Räder: 15"-Alufelgen mit 205-65 VR 15
Karosserie: Roadster Serie
Innenraum: Serie, Lederpolsterung



 

 


 

 

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