Nürburgring Dienstag 24.05.2017: Letzte Nacht um 1Uhr angereist, heute morgen um 8 Uhr bei der Platzvergabe für das Fahrerlager Schlange gestanden, um einen vernünftigen, einigermaßen ebenen Platz zu ergattern. Dann das Zelt aufgebaut, das Auto ausgeladen und die Aufkleber am Fahrzeug angebracht. Ganz allein in Action, der Rest des Teams muss heute noch Brötchen verdienen. Plötzlich ist es 16 Uhr und man hat Zeit, um ein bisschen zu quatschen. Der Reiter des weißen Büffels steht mir Rede und Antwort und plaudert aus dem Nähkästchen in seinem Wohnmobil im Fahrerlager vom 24h Rennen am Nürburgring.
Früher Einstieg in den Motorsport
Mit 16 fing Gustav Edelhoff mit dem Motorsport an. Grundvoraussetzung war damals ein gültiger Führerschein. 1976 begann er mit dem Geländesport, was sich heute Enduro nennt. Mit bescheidenen 50 ccm pflügte er damals durch den Acker. Weiter ging es mit einer Werks KTM bis hin zur 400er KTM. Die Crosser-Karriere endete stilvoll an einem Baum, den er mit dem Knie nicht fällen konnte. Sein Arzt riet damals, mit dem Quatsch aufzuhören, wenn er nicht im Rollstuhl enden wollte. Da wechselte der junge Edelhoff auf vier Räder, was seinem Vater, der selbst Rennen fuhr, auch besser gefiel. Rundstreckenrennen waren im Vergleich zum Endurosport zu langweilig, Rallyes waren da schon interessanter. Im Rallyesport avancierte der wild entschlossene Rennfahrer von der nationalen deutschen Meisterschaft, über die internationale Europameisterschaft, bis zu Weltmeisterschaft. Im deutschen Junior Rallye Team war sein Arbeitsplatz zunächst im Audi 80 Quattro, zuletzt am Steuer eines Golf 16V. Dieses Fahrzeug raubte ihm jedoch den Spaß. Nach 10 Läufen in einer Saison von Zypern bis Schottland, die jedes Mal mit einem Motorschaden endeten, hängte Gustav den Rennoverall 1988 an den Nagel.
Er suchte nun nach dieser herben Enttäuschung seine neue Herausforderung im elterlichen Unternehmen für Entsorgung. Bis zum Jahr 2000 lagen seine Prioritäten im Management der Firma und der Familie.
Bis ein ehemaliger Rallyekollege seinen Lancia Stratos mit dem Ferrari Sechszylinder loswerden wollte. Da wurde Gustav Edelhoff rückfällig und musste zugreifen. Als die puristische Rennikone dann in der Garage stand, erwachte auch sofort das Bedürfnis, sie artgerecht zu bewegen. Oldtimerrallyes mit Gleichmäßigkeitsfahrten kamen da aber nicht in Frage. Alsbald entbrannte die Jagd nach Bestzeiten bei historischen Rallyes mit dem italienischen Donnerkeil. Mehr als zwei bis drei Renneinsätze waren pro Jahr zeitlich aber nicht machbar. 2006 hatten dann Freunden einen Platz im Cockpit für das 24 Stundenrennen am Nürburgring frei. Es kostete nicht viel Überredungskunst und Gustav Edelhoff gurtete sich im Rennsitz eines Serien Porsche 911 GT3 fest und bestritt genüsslich mit seinen Teamkollegen diese Tortur. 48. im Gesamtklassement war auch ein respektables Ergebnis für das Privatier-Team. Einmal wieder auf den Geschmack gekommen, fuhr er dann die ganze Saison. Parallel zum Porsche nahm der Hobbyrennfahrer auch bis 2008 mit seinem Ford Escort BDA Gruppe 4 von 1974 an der Rallye Rundstreckenmeisterschaft GTC-TC teil und gewann diese zwei Mal.
Kontakt mit dem 6.3
Als Student fuhr Gustav Edelhoff einen Mercedes Benz 6,3. Aus heutiger Sicht undenkbar bei einem Benzinverbrauch von ca. 25 Litern, den opulenten Außenmaßen, bei der heutigen Parkraumdichte in Städten und den hohen Spritpreisen. Dank der damaligen Energiekrise wollte damals aber keiner dieses Schlachtschiff haben und der junge Student, der keinen Bock auf einen schnöden Golf hatte, konnte den 300 SEL 6,3 günstig erstehen. Edelhoff hatte natürlich unglaublich viel Spaß mit dieser voluminösen Staatskarosse, bis ihn die Zylinderkopfdichtung im Stich ließ und der Motor oben in die V-Senke Öl drückte, was dazu führte, dass schon mal Flammen aus dem Motorraum züngelten und Rauch herausquoll. Dann war der Benziner ein Selbstzünder. Um die teuren Reparatur zu umgehen, wurde der marode Schlitten verkauft, wobei der Student sogar noch Profit machte. So amortisierten sich die hohen Spritkosten zum Glück.
Mit 47 las der mittlerweile erfolgreiche Manager zufällig einen Artikel über die rote Sau von Mercedes AMG und dachte sich: „Das ist doch geil, so einen Kahn haste doch auch schon mal gefahren, jetzt baust Du Dir mal so eine Kiste.“ Er hatte aber etwas besonderes mit seinem vom bekannten Auto Designer, Paul Bracq, entworfenen heiligen Gral vor. Es sollte nicht ein Nachbau der roten Rennsau werden, sondern sein individueller Rennwagen, inspiriert vom Original. „Carrera Panamericana“, nichts Geringeres als dieses 3436 km lange sagenumwobene Rennen in Südamerika war das Ziel.
2009 ging der Rallyeenthusiast das Projekt an. Beim mittlerweile leider verstorbenen Herrn Blumberg, einem ehemaliger Toyota-Händler aus Remscheid, der die Toyota Werksrallyewagen aufbaute, ließ Gustav Edelhoff seinen Wagen aufbauen. Peter Diebowski, ein Motorspezialist, war auch maßgeblich an der Entwicklung des Rennwagens beteiligt. So wurden von Gustav Edelhoff erst mal drei völlig heruntergekommene Mercedes 6,3 „Ratten“ in den USA gekauft und nach Deutschland geschifft. Der eine kam aus Kalifornien und diente mit seiner sehr gut erhaltenen Karosserie als Basis. Die anderen beiden dienten als Organspender und Ersatzteillager. Dies war auch nötig. Nach 3 Jahren Aufbauzeit war der „Weiße Büffel“ geboren und sein Herz schlug im Dezember 2012 zum ersten Mal unter der Haube.
Probleme bleiben nicht aus
Bei den ersten Rennen ging ständig etwas kaputt. Man sammelte auf diversen Rundstrecken Erfahrungen. Beim ersten Rennen wickelte der Jungbulle mit seinem überpotenten Motor die Kardanwelle wie einen Korkenzieher. Wie damals in der Studentenzeit gab die Kopfdichtung recht schnell den Geist auf, beim zweiten Rennen wurde die Hinterachse abgedreht...es war einfach zu viel Leistung vorhanden. Nach jedem Schaden reduzierte das Rennteam die Leistung des Antriebsaggregates um ca. 50 PS. Bei einer ursprünglichen Leistung von 500 Ps und bei 800 Nm lief man trotzdem nicht Gefahr, am Ende mit 320 PS und 600 Nm schmalbrüstig daher zu kommen. Des Weiteren wurde der Ölkanal dicht gemacht, damit man mehr Fleisch an der Stelle hatte, wo die Kopfdichtung immer wegbrutzelte. Das reichte aber nicht. Das Zylinderkopfdichtungsproblem bekam das Rennteam erst mit einer etwas ungewöhnlichen Lösung in den Griff. Bei jeder Tankfüllung wurde eine Literdose Zweitaktöl hinzugefügt, quasi 1:100. Seitdem rennt der weiße Büffel.
Materialkiller
Es war ein vier Jahre andauernder Leidensweg bis zum „zuverlässigen“ Langstreckenrennwagen. Auf der Strecke blieben unter anderem: Eine Kardanwelle, eine Kopfdichtung, noch eine
Kopfdichtung, die nächste Kopfdichtung, eine Kupplung, eine Hinterachse und - wer hätte es gedacht - eine Kopfdichtung, eine gebrochene Nockenwelle, eine bereits verstärkte Lenkung brach, die Mittelaufhängung der Hinterachsaufhängung brach. Ja, das Auto ist nicht einfach, aber einfach kann jeder und es macht riesig Spaß. Leider ist die Original-Bremsanlage für die 1780 kg unterdimensioniert. Daher muss der V8 immer mit bremsen und auf langen Geraden muss man durch Pedalpumpen schon mal Bremsdruck aufbauen.
Die Rote Sau unterscheidet sich schon in einigen Punkten vom weißen Büffel. Der Gruppe 5 Rennwagen aus den 70er Jahren hatte eine andere Ansauganlage und eine Acht-Kolbenbremse. Der weiße Büffel ist eine Eigenkreation mit ZF-Fünfganggetriebe. Der erste Gang sitzt hinten links, das ist das einzige, was von Mercedes homologiert wurde. Montiert sind derzeit dreiteilige BBS Felgen mit Flachbett, vorne 10,5 und hinten 12 Zoll.
Am 29.April 2017 schaffte der weiße Riese den guten 9. Platz im Gesamtklassement angesichts der Tatsache, dass man mit dem Dickschiff gegen Sportwagen kämpft. Beim Langstreckenrennen an jenem Rennwochenende kam es leider zu einem ungewöhnlichen Ergebnis. Am Hockenheimring war die Lärmbelästigung der Anwohner auf 100db pro Fahrzeug begrenzt. Dem weißen Büffel riss jedoch leider im Verlauf des Rennens die Schweißnaht der Lambdasonde und so überschritt er den Geräuschpegel, als er an dem an der Strecke positionierten Mikrofon vorbei donnerte. Somit schickte die Rennleitung den Koloss zurück in den Stall. Er durfte nicht mehr weiter fahren. Ansonsten ist die Motorleistung auf etwas über 300 PS gedrosselt, damit der schwergewichtige Tiefflieger durchhält.
On the Track
Am 26.05.2017 absolvierte das Rennteam mit dem weißen Büffel das 3h-Rennen am Nürburgring.
Naja, zumindest die Hälfte. Der Wagen hielt gut, aber nach 1,5 Stunden war ein Tankstopp geplant. Der weiße Büffel blieb aber leider 500 Meter vor dem Boxeneingang auf der Nordschleife liegen. Ob wohl beim nächsten Langstreckenrennen ein kleiner Reservekanister an Bord sein wird? Wieder zu Hause angekommen realisierte Herr Edelhoff übrigens, dass er wohl Glück im Unglück hatte. Die vorderen beiden Bremsscheiben waren bereits von außen, bis zur Nabe gerissen und wären bei einem der nächsten Bremsmanöver in den folgenden Runden schlichtweg geplatzt. Was ein ungebremster Einschlag auf der Nordschleife für den 1780 kg Büffel bedeutet hätte, kann man sich wohl denken. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf den Fahrer.
Als nächstes steht das Event „90 Jahre Nürburgring“ an, dann Spa und zwischendurch nimmt Gustav Edelhoff im Audi R8 Platz, um die holländisch organisierte „24h Endurance Series“ mitzufahren. Die fängt in Dubai/VAE an und hört in Austin Texas/USA auf. Den Audi zu fahren, ist weitaus anstrengender, als mit dem gemächlichen weißen Büffel unterwegs zu sein. Der Audi schafft den Nürburgring in ca. 7 Minuten, der Mercedes braucht ca. 11 Minuten. Im R8 ist es heißer, alles ist schneller und die Fliehkräfte sind dank der breiten Slicks mit ihrem hervorragenden Grip weitaus höher. Das alles schlaucht den Fahrer noch extremer, wobei die 1,5 Stunden bei 32°C Außentemperatur in langer feuerfester Unterwäsche, Handschuhen und Integralhelm in dem weißen Backofen am Nürburgring sicherlich auch schon an die Substanz gingen.
Da war doch noch etwas. Ach ja, das Thema Carrera Panamericana. Nach den etlichen Kinderkrankheiten sah man vorerst von einer Teilnahme bei dem extrem materialbeanspruchenden Rennen ab. Vom Tisch ist das Thema aber nicht. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass der weiße Büffel auf extrem breiten Reifen mit Radkastenverbreiterungen gut da steht, um die immer noch enorme Leistung auf die Straße zu bringen. Das Widebody-Kit muss ab, wenn der Bolide in Mexiko an den Start gehen soll. Die dicken Backen sind nicht regelkonform. Egal, dann wird halt zur Flex gegriffen und die schmalen „Winterreifen“ werden aufgezogen. Der Überrollkäfig hat aber schon den nötigen Platz und die Halterung für ein Reserverad, was Pflicht für die Carrera ist. Geht der weiße Büffel 2019 an den Start in Südamerika? Mit fast 57 und fit wie ein Turnschuh ist das kein Problem für Gustav Edelhoff.
Fotos und Text: Stefan Gerhauser
Technische Daten zum Rennwagen "Weißer Büffel" von Herrn Edelhoff
Fahrzeugtyp: Mercedes-Benz 6,3 jetzt 6,8Liter Rennwagen mit Strassenzulassung
Baujahr: 1968 aus 3 Fahrzeugen aufgebaut
Motor: V8, 6800 ccm, Ursprüngliche Leistung 500 PS 800 NM jetzt gedrosselt auf 320 Ps und 600NM wegen Standfestigkeit
Getriebe: ZF Fünfgang Getriebe, erster Gang hinten links
Bremsen: Serie
Räder: BBS Felgen mit Flachbett, vorne 10,5“ und hinten 12“
Reifen: Michelin vorne 225mm hinten 310mm
Fahrwerk: optimiertes Luftfahrwerk mit Bilstein Stoßdämpfer
Karosserie: Verbreiterte Radkästen, keine Stoßstangen, Haubenschnellverschlüsse, Zusatzscheinwerfer
Innenraum: Gelochte Pedale, keine Teppiche, keine Innenverkleidung, Sparco Wildleder Rennlenkrad, Recaro Rennsitze mit Sechspunktgurten, Überrollkäfig mit Platz für ein Reserverad, keine Rücksitzbank, Renntank 120Liter im Kofferraum
Gesamtgewicht: 1780kg
Treibstoff: 1:100 Zweitaktgemisch
1 Kommentar
Heinz-Leo Cremers
9. Juni 2017 16:37 (vor über 7 Jahren)
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