Prospekte liegen in keiner Niederlassung aus, Fernsehwerbung gibt es nicht und die Käufer bleiben gerne anonym. Einen Einblick in die Produktion der gepanzerten Guard-Modelle hat jetzt Mercedes-Benz in Sindelfingen gestattet. Das ist selten. Denn Diskretion und Geheimhaltung sind hier oberstes Gebot. Auf einem alten Militärflugplatz in Malmsheim bei Stuttgart konnte die Agilität der schweren Fahrzeuge getestet werden. Guard-Modelle stehen als Staatslimousine Pullman in einer gestreckten S-Klasse, der normalen S-Klasse sowie in der E- und der G-Klasse ab Werk zur Wahl.
Die Guard-Modelle widerstehen Projektilen verschiedenster Kaliber
Die aktuellen Guard-Modelle können je nach Schutzklasse Kurzwaffen- und Gewehrschüssen verkraften und Angriffen mit Handgranaten widerstehen. Zum Teil sind sie auch gegen Gasangriffe geschützt. Dazu dienen Sauerstoffflaschen im Kofferraum. Während die Lüftung automatisch still gelegt wird, sperrt Überdruck in der Fahrgastzelle die Kampfmittel aus. Behörden wie das Bundeskriminalamt erhalten auf Wunsch eine unsichtbare Schießscharte, aus denen die Personenschützer zur Gegenattacke übergehen können.
Die Behörden in Deutschland haben in einem komplizierten Verfahren Kategorien festgelegt, nach denen Schutz-Fahrzeuge eingestuft werden. In Fahrzeugen der Widerstandsklasse VR4 muss großkalibrige Revolvermunition draußen bleiben. Diese Autos bieten vor allem der steigenden Beschaffungskriminalität und der wachsenden Gewaltbereitschaft von Straßenräubern Paroli.
Die Widerstandsklasse VR6/VR7 hält auch Gewehrprojektilen und Sprengsätzen stand
Höchstschutz-Automobile der Widerstandsklasse VR6/VR7 setzen der Bedrohung durch Terroranschläge eine wirkungsvolle Abwehr entgegen. Ihre Armierung ist gegen Gewehrprojektile aus militärischen Waffen konzipiert, die fast doppelt so schnell fliegen wie Revolvergeschosse. Außerdem leisten sie Widerstand gegen Handgranaten-Splitter und Sprengsätzen. Sieben Guard-Modelle bietet Mercedes-Benz ab Werk an.
Mercedes-Benz S-Guard
Der Mercedes-Benz S 600 Guard ist die gepanzerte Sonderschutzausführung des Mercedes-Benz S 600, serienmäßig mit langem Radstand. Das großzügige Raumkonzept und das Fahrverhalten bietet bleiben in der Guard Ausführung praktisch ungeschmälert erhalten. Angetrieben wird der S 600 Guard von einem Zwölfzylinder-Biturbo-Triebwerk mit 5 513 Kubikzentimeter Hubraum und 380 kW /517 PS und einem Drehmoment von 830 Nm. Er bietet Höchstschutz der Widerstandsklasse VR6/VR7.
Mercedes-Benz S 600 Pullman Guard
Der S 600 Pullman Guard setzt die Tradition der Mercedes-Benz Staatslimousinen fort. Kaiser Hirohito bekam schon 1930 einen, Bundeskanzlerin Merkel erst 2009. Seit über 80 Jahren verlassen sich gekrönte und ungekrönte Häupter auf den Schutz mit dem Stern.
Der Pullman-Radstand wurde gegenüber der Langversion der sondergeschützten S-Klasse noch einmal um 1,15 Meter verlängert und wuchs damit auf 4,32 Meter. Zudem hat die Staatslimousine im Fond eine Dacherhöhung. Dort finden vier Passagiere Platz hinter einer Trennwand in bequemen vis-à-vis angeordneten Sitzen. Als Antrieb dient ebenfalls der Zwölfzylinder-Biturbo-Motor. Der S 600 Pullman Guard ist mit Höchstschutz nach VR6/VR7 ausgerüstet.
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Mercedes-Benz E-Guard
Die Mercedes-Benz E-Guard Modelle sind in drei Motorvarianten lieferbar. Der Sechszylinder-Dieselmotor im E 350 CDI BlueEFFICIENCY Guard leistet 195 kW/265 PS und bietet ein Drehmoment von 620 Newtonmeter. Der V6-Benziner im E 350 Guard produziert 200 kW/272 PS. Leistungsmäßig an der Spitze steht der V8 mit 5,5 Liter Hubraum und 285 kW/388 PS im E 500 Guard. Alle E-Guard Modelle sind mit Hochschutz der Widerstandsklasse VR4 ausgerüstet. Sie bieten die gleichen Platzverhältnisse und den Fahrkomfort wie ihre Serien-Pendants.
Guard-Modell der S-Klasse: flinkes Schwergewicht
Kern-Produkt der Sonderschutz-Fahrzeuge ist die aktuelle S-Klasse. Von außen sieht man den Fahrzeugen ihre besonderen Qualitäten nicht an. Darauf ist man besonders stolz. Die vielen Extras fließen bereits beim Fertigen des Fahrzeugs in die Produktion ein und lassen sich ohne Aufwand auf den ersten Blick auch nicht entdecken. Beim Bewegen der Tür aber bereits merkt man den Unterschied: Die 150 statt 35 Kilogramm schwere Tür lässt sich nicht mit dem kleinen Finger öffnen und die Fenster aus Panzerglas plus Polycarbonat-Schicht gestatten zwar einen Blick nach draußen, doch bei schrägem Blickwinkel erscheint die Außenwelt leicht verzerrt. Insgesamt fährt ein Guard-Modell der S-Klasse das Gewicht einer E-Klasse zusätzlich spazieren.
Dieses Päckchen verteilt sich über das gesamte Auto: Die Schutzelemente für Türen, Rückwand, Seitenteile, Fahrzeughimmel oder Stirnwand werden in die Rohkarosse integriert. Dabei erhält die komplette Fahrgastzelle eine Art Rüstung. Selbst Dachholme, Türschlösser, Türspalten sowie die Außenspiegelbefestigungen bleiben davon nicht verschont. Der Tank ist mit einer selbstdichtenden Folie ausgelegt. Weitere potenzielle Schwachstellen sind besonders gesichert. Beispiel: Geschosse aus Pistolen und Gewehren treffen bei den Karosseriespalten, den Türen oder den Übergängen von Metall zu Glas auf ein ausgeklügeltes, überlappendes System, um sie am Eindringen zu hindern. Bei einer Versuchsreihe zu Demonstrationszwecken im werkseigenen Schießstand zeigten sich die anwesenden russischen Journalisten besonders interessiert.
Vom Beschussamt zertifiziert
Die S-Klasse in der Guard-Ausführung wurde vom Beschussamt Ulm zertifiziert, nachdem 250 Schuss auf einen Prototypen abgegeben worden waren. Handgranaten aufs Dach und unter den Fahrzeugboden platziert, konnten den Dummys im Innenraum ebenfalls keinen körperlichen Schaden zufügen. Und der eingejagte Schrecken wird bei solchen Puppen nicht gemessen.
Innenlaufende Hartgummi-Stützringe sichern ein Fortkommen auch bei zerstörten Pneus
Angetrieben wird der S 600 Guard von einem Zwölfzylinder-Biturbo-Triebwerk mit 5 513 Kubikzentimetern Hubraum aus der Serienproduktion mit 380 kW/517 PS. Das Drehmoment von 830 Nm steht bei 1 900 Umdrehungen in der Minute zur Verfügung. Auf den abgesteckten Strecken auf Militärflugplatz in Malmsheim bewegte sich damit das schwere Gerät agil und locker. Sicherlich schiebt und drückt das Gewicht. Aber die Kurven sind leicht zu nehmen und die Verzögerungswerte liegen dank der Bremsen mit je zwei Bremssätteln an den Vorderrädern nach Angaben der Stuttgarter Ingenieure nahe denen der normalen S-Klasse. Auch die Sprinter-Qualitäten der Karosse blieben erhalten, nur die Geschwindigkeit wurde auf 210 km/h begrenzt. Sicherlich noch schnell genug, um die Flucht zu ergreifen. Die Spezialreifen von Michelin machen das übrigens mit. Der innenlaufende Hartgummi-Stützring sichert ein Fortkommen mit bis zu 80 km/h auch nach einem gezielten Angriff auf die Pneus. In Bewegung bleiben ist alles, wenn es ums Überleben geht, wissen die Guard-Spezialisten aus jahrzehntelanger Erfahrung.
In Lateinamerika sind E-Guard-Modelle besonders gefragt
Knapp 400 000 Euro müsste man für eine so aufgerüstete S-Klasse hinlegen. Die Nachfrage wächst. Besonders groß Bedarf an solchen Automobilen besteht derzeit in Lateinamerika, wo sich vor allem die gepanzerten E-Klasse-Limousinen aus mexikanischer Produktion großer Beliebtheit erfreuen. Aber auch Südafrika und Südeuropa sowie der Nahe und der Mittlere Osten sowie Asien melden immer häufiger Bedarf an. In Mitteleuropa und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind vor allem Guard-Modelle der S-Klasse, aber auch der G-Klasse, in der Höchstschutz-Stufe gefragt.
Text: Helmut Daniels
Bilder: Werksfotos, H. Daniels
Die aktuellen Mercedes-Benz Guard-Fahrzeuge im Überblick
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