Mitte der 60er Jahre beginnt in den USA unter den amerikanischen Autoherstellern ein Krieg. In dem Muscle Car War geht es um Leistung und Performance, Auslöser war seinerzeit ein Mittelklassewagen, den es nur mit kleinen Motorisierungen gab. Dieser wurde trotz hauseigenen Verbots mit einem großvolumigen Motor einem so genannten Big Block ausgestattet.
Auch auf dieser Seite des großen Teichs waren kleinere Motoren standard. Leistungsstarke Motoren verzeichnet das Modellprogramm von Mercedes-Benz Mitte der 1960er-Jahre nicht im Übermaß. Bei den Sechszylindermotoren gibt es den aus dem ehemaligen 2,2-Liter-Motor M 180 des Typ 220 entwickelten 2,5-Liter-Motor M 129 mit 150 PS (110 kW) und den vom Dreilitermotor M 186 des Typ 300 abstammenden Motor M 189 mit dem Aluminium-Kurbelgehäuse des Typ 300 SE mit 170 PS (125 kW). Lediglich in der Repräsentations-Limousine Mercedes-Benz 600 (W 100) ist der 6,3-Liter-V8-Motor mit 250 PS (184 kW) Leistung und einem Drehmoment von 500 Newtonmetern eingebaut.
Damals gab sicherlich AutoMotor & Sport Chefredakteur Heinz-Ulrich Wieselmann in einem Gespräch mit dem Personenwagen-Entwicklungschef Rudolf Uhlenhaut und dem Versuchsingenieur Erich Waxenberger den Anstoß zu einem Projekt. Er bemängelte die fehlende Leistungsausbeute damaliger Mercedes-Benz Personenwagen-Motoren ein Hinweis, der Waxenberger nicht ruhen lässt. Er schickt seinen Monteur Hermann Eger nach Sindelfingen, um dort nach einer Karosserie für ein leistungsstarkes Versuchsfahrzeug zu fahnden. Der kommt prompt mit einem Coupé-Rohbau zurück. Darin wird der 6,3-Liter-V8-Motor M 100 eingebaut. Waxenberger genießt die erste abendliche Probefahrt auf dem Werksgelände. Doch am nächsten Morgen wird er zu Uhlenhaut zitiert und muss seinem Chef die Frage beantworten, was denn gestern Abend für ein Fahrzeug mit markantem Motorengeräusch an seinem Bürofenster vorbeigefahren sei. Das ist die Geburtsstunde des legendären Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 (W 109), der 1967 erscheint seinerzeit die leistungsstärkste Serienlimousine der Welt.
Doch die Entwicklung macht auch vor dem SL der Baureihe W 113 nicht halt, der Pagode. Waxenberger implantiert auch dort den V8-Motor. Allerdings gestaltet sich dieses Unterfangen noch schwieriger als der Einbau in die Limousine. Denn die Motorenbucht des SL ist deutlich kleiner. Es sind umfangreiche Schweiß- und Verlegungsarbeiten im Rahmenbereich durchzuführen, um den breiten und langen Achtzylindermotor einzupassen. Von außen ist diese besondere Pagode nur an der breiter ausgefallenen Ausbuchtung der Motorhaube zu erkennen, dem Powerdome, der in diesem Fall seinem Namen alle Ehre macht.
Zwischen dem 3. und 5. Juli 1967 fährt eine aus drei V8-Fahrzeugen bestehende Wagenkolonne zum Nürburgring, um dort Fahrversuche unter Leitung von Erich Waxenberger durchzuführen. Das Trio setzt sich zusammen aus zwei Limousinen der Baureihe W 108 und einem SL der Baureihe W 113. Die beiden Limousinen haben Vorserienmotoren vom Typ M 100 mit noch 6 Liter Hubraum, einer davon mit Leistungssteigerung auf 350 PS (257 kW) und Luftfederung, beide mit Fünfgang-Getriebe der Zahnradfabrik Friedrichshafen (ZF). Der SL hat den Motor M 100 mit dem späteren Serien-Hubraum von 6,3 Litern sowie Automatikgetriebe und Stahlfederung.
Die besten Rundenzeiten fährt Waxenberger mit dem SL. Sie liegen zwischen 10 Minuten 40 Sekunden sowie 11 Minuten 6 Sekunden. Erreicht werden sie auf Dunlop-Rennreifen der Dimension 5,50 M 14 und härter eingestellten Stoßdämpfern. Trotz eines starken Hinterachssturzes (minus 4 Grad 30 Minuten bis minus 5 Grad, je nach Justage) beanstandet er allerdings die starke Instabilität beim Anbremsen von Kurven, die er als Bremsdreheffekt beschreibt eine Problematik, die allerdings nicht auf die V8-Pagode beschränkt ist. Sie ist auch von den Serienfahrzeugen den Typen 250 SL und 280 SL mit Sechszylindermotor bekannt. Zur Abhilfe wird eine Bremsmomentabstützung der Hinterachse vorgeschlagen, die allerdings nie zum Einbau kommt.
Die Vorderreifen sind nach neun Runden Nordschleife verschlissen, die Hinterreifen nach 16 Runden. Der Versuchsbericht vermerkt lapidar, dass diese Werte keine Gültigkeit besitzen würden, weil zwischendurch immer wieder Abstimm- und Einstellarbeiten am Fahrzeug durchgeführt worden seien. Trotz dieses erfolgversprechenden Debüts des leistungsstarken SL: Er wird nicht zum Serienfahrzeug weiterentwickelt. Der Erprobungsträger wird im Werksbesitz verschrottet. Es soll bis zum Erscheinen des nächsten Mercedes-Benz SL der Baureihe R 107 im Frühjahr 1971 dauern er ist der erste SL, der mit Achtzylindermotoren angeboten wird.
Keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar