Mercedes-Benz in der Formel 1

Kommt das Ende der Silberpfeile im F1-Zirkus?

Mercedes-Benz in der Formel 1: Kommt das Ende der Silberpfeile im F1-Zirkus?
Erstellt am 20. Dezember 2019

Seit vielen Jahren dominiert das Mercedes-Werksteam die Formel 1. Nun häufen sich die Gerüchte, dass der Ausstieg naht. Mercedes-Fans.de Motorsport-Redakteur Christopher Otto befasst sich einmal ausführlich mit den Fakten und Gerüchten und beleuchtet, was dafür und dagegen spricht.

Mercedes-Benz in der Formel 1 – das hat eine lange Tradition. Schon vor der offiziellen Premiere der Formel 1 im Jahre 1950 dominierten die berühmten Silberpfeile die Königsklassen des Motorsportes in den 1930er Jahren. Beim ersten Werksauftritt in der offiziellen Formel 1, 1954 und 1955, konnte Rennlegende Juan Manuel Fangio die ersten beiden Weltmeistertitel nach Stuttgart holen.

Seit den frühen 1990er Jahren hatte sich die Marke mit dem Stern dann zunächst erfolgreich als Motorenlieferant zurückgemeldet, bevor man schließlich ab 2010 wieder als Werksteam auftrat. Das Mercedes-AMG Petronas Motorsport F1 Team ist seit dem Jahre 2014 ungeschlagen, was die WM-Titel betrifft. Von 12 möglichen Meisterschaften in Fahrer- und Teamwertungen gingen alle 12 an die Silberpfeile. Ein guter Zeitpunkt also, an einen Rückzug zu denken?

Fakt ist, dass zumindest die kommende Saison 2020 noch garantiert mit den Silberpfeilen stattfinden wird. Fahrer und Teams sind fest eingeschrieben. Zudem ist zu erwarten, dass auch der kommende Renn-Bolide ähnlich dominant sein dürfte, wie die Vorgänger, da sich die Regeln kaum ändern. Ab der darauf folgenden Saison stehen aber viele Fragezeichen hinter dem weiteren Verbleib der Silberpfeile in der Formel 1.

Das neue Reglement

Das erste und wohl größte Fragezeichen verbirgt sich hinter den massiven Regeländerungen für 2021. Die Rennwagen werden von der Aerodynamik massiv beschnitten und bekommen eine komplett neue Philosophie. Da jedes Team mit einem weißen Blatt Papier anfängt, sind die Kräfteverhältnisse kaum vorherzusagen. Nach dann wahrscheinlich 14 Titeln gibt es für Mercedes nichts mehr zu gewinnen. Umso größer ist die Gefahr, dass man mit einem misslungenen Entwurf die grandiose Außenwirkung der vergangenen Dominanz mit einem Schlag zunichte macht. Auch die neue Budget-Obergrenze von 175 Mio. Dollar – wenn auch mit vielen Schlupflöchern – dürfte den Budget-Königen von Mercedes kaum gefallen. Andererseits bleiben die Hybrid-Motoren fast unverändert im Reglement, was Mercedes seit jeher vehement gefordert hat. Trotzdem spricht hier viel für einen Ausstieg.

Die Personalfrage

Die Personalfrage ist ein weiterer Grund, der für ein Ende des F1-Programmes spricht. Sämtliche Schlüsselfiguren, darunter Team-Chef Toto Wolff sowie die beiden Piloten Lewis Hamilton und Valtteri Bottas besitzen nur Verträge bis Ende 2020. Während Lewis Hamilton mehr oder weniger öffentlich bereits mit Ferrari flirtet, wurden Wolff Ambitionen auf den Vorsitz der Formel 1-Muttergesellschaft angedichtet, sicherlich auch nicht ohne Hintergrund. Dem hat zwar Ferrari schleunigst einen Riegel vorgeschoben, schließlich möchte man keinen Mann, der jahrelang den härtesten Gegner befehligt hat, an der Spitze der Formel 1 wissen. Trotzdem scheinen sich alle Protagonisten nach Alternativen umzuschauen. Toto Wolff erklärte öffentlich, dass die Zeichen im Konzern wohl durchaus auf „Weitermachen“ stehen, dies aber kein Selbstläufer wäre. Hamilton hingegen betonte mehrfach, dass sein Schicksal eng mit dem von Wolff verknüpft wäre. Soll heißen: Falls Hamilton zu Ferrari geht, käme Toto Wolff wohl gleich mit. Die Vorstellung, wie die beiden den roten Haufen nach Silberpfeil-Manier umkrempeln, hätte durchaus seinen Reiz.

Zwei WM-Einsätze zugleich

Mit dem werksseitigen Einstieg in die Formel E hat Mercedes selbst einen weiteren Grund geschaffen, nicht weiter in die Formel 1 zu investieren. Zwar gab man dafür den Werkseinsatz in der DTM auf, aber trotzdem leistet sich Daimler immer noch zwei Einsätze auf WM-Niveau. Dass der Formel E ab der Saison 2020/2021 nun auch offiziell der Weltmeisterschaftsstatus verliehen wurde, spielt solchen Überlegungen zusätzlich in die Karten.

Die direkten Mitbewerber sind in Sachen Werkseinsätze deutlich sparsamer unterwegs. Porsche fährt neben der Formel E noch in der GTE-WM WEC und Audi verbindet den Formel-E-Einsatz mit der DTM. BMW konzentriert sich mittlerweile auch neben der DTM voll auf die Formel E und hat gerade das Werks-Engagement in der WEC beendet. Zudem dürfte die voll elektrische Formel E den Konzern-Lenkern deutlich besser liegen als der im Moment so geschmähte Verbrennungsmotor in der Formel 1.

Die Kostenfalle

Der letzte Sargnagel für Mercedes in der Formel 1 könnten die Kosten sein. Auch wenn man immer betont, dass die Marke deutlich mehr Benefits in Sachen PR bekommt, als der Einsatz kostet, dürfte es Ola Källenius immer schwerer fallen, seine Vorstandskollegen in Zeiten von extremen Sparprogrammen und Personalabbau von der Nachhaltigkeit der geschätzten 480 Mio. Dollar, die man 2019 alleine in der Rennabteilung ausgab, zu überzeugen. Da sind die Kosten für die Motoren noch gar nicht inkludiert, wobei man hier als Lieferant für Williams und Racing Point auch gutes Geld verdient haben dürfte. Allerdings könnte man dieses Geld als reiner Motorenlieferant auch weiterhin mitnehmen, zumal man gerade für 2021 einen Vertrag mit McLaren als Motorenausrüster unterzeichnet hat.

Neue Herausforderung und interessante Fahrerkandidaten

Für einen Verbleib als Werksteam spricht eigentlich nur eines, nämlich der Ehrgeiz der Ingenieure. Zu oft hieß es in den letzten Jahren, man würde nur von der anfänglichen Überlegenheit zehren und wegen der ausbleibenden Regeländerungen hätten die anderen keine Chance, aufzuholen. Hier könnte das Team beweisen, dass man auch unter ganz neuen Vorzeichen ein Top-Paket auf die Beine stellen kann. Das würde die dann eingefahrenen Erfolge nochmal deutlich höher positionieren und auch die bisherige Dominanz aufwerten. Selbst ein Abgang von Lewis Hamilton wäre eine Chance zu zeigen, dass man nicht nur wegen eines überlegenen Fahrers so stark war, sondern tatsächlich das Auto den Unterschied macht.

Als Ersatz bietet sich gerade Ex-Weltmeister Fernando Alonso an, der unbedingt zurück in die F1 möchte. Und auch F1-„Frührentner“ Nico Hülkenberg wäre als Deutscher eine tolle Besetzung für einen Silberpfeil. Mit Williams-Pilot George Russel hat man außerdem einen kommenden Superstar im Kader. Zu guter Letzt ist auch die Personalie Sebastian Vettel für 2021 absolut ungeklärt. Vettel im Silberpfeil – dieser Wunschtraum hätte durchaus seine Reize. Zudem sind Siege in der Formel 1 als weltweite Sport-Institution nach wie vor vom Werbe-Wert her unschlagbar. Für einen Hersteller mit dem Slogan „Das Beste oder nichts“ ist die Teilnahme an der Königsklasse des Motorsportes eigentlich Pflicht.

Was sagt das Team?

Aus den Reihen des Teams ist es indes erstaunlich ruhig. Toto Wolff äußerte vor kurzen gegenüber motorsport.com, dass der Konzern derzeit das Für und Wider eines Verbleibs abwäge und beide Strategien absolut plausibel wären. „Alles deutet darauf hin, dass wir bleiben werden. Aber das ist keine Tatsache", sagte Wolff. „Wir sind mitten in der Diskussion über ein neues Concorde-Agreement. Im Zusammenhang damit, aber auch unabhängig davon, diskutieren wir die Weiterentwicklung des Automobils und was das für Effekte für den Sport haben kann", fügte der Österreicher hinzu. „In welche Richtung bewegt sich der Automobil-Sektor? In welcher Weise ist die Formel 1 als Unterhaltungs- und Technologie-Plattform noch relevant? Wollen wir als Marke, deren erstes Auto ein Rennauto war, langfristig Teil dieser Plattform sein?" Dies wären die Fragen, die vor der Entscheidung geklärt werden müssten.

Fazit

Meine ganz persönliche Meinung: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mercedes über 2020 hinaus als Werksteam an der Formel 1 teilnimmt. Zu viel spricht einfach dagegen, zumal man als Motorenlieferant trotzdem Teil der Megashow Formel 1 bleiben könnte. Aber gerade im schnellsten Zirkus der Welt haben wir schon so viele Überraschungen erlebt, dass auch das genaue Gegenteil nicht auszuschließen ist. Das nächste Jahr wird Klarheit bringen.

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