Der Sprinter-Vorgänger aus Bremen feiert Geburtstag

40 Jahre Mercedes-Benz TN

Der Sprinter-Vorgänger aus Bremen feiert Geburtstag: 40 Jahre Mercedes-Benz TN
Erstellt am 20. April 2017
In Braunlage im Harz wird eine neue Transporter-Modellreihe mit den Typen 207 D, 208, 307 D und 308 der Presse vorgestellt. Die Produktion der intern TN (Transporter Neu) genannten Baureihe ist bereits im Januar im Werk Bremen angelaufen.
 
Als den "Mercedes unter den Transportern" kündigt Daimler-Benz das neue Fahrzeugkonzept an, das unter der Bezeichnung "TN" (Transporter neu) im Jahr 1977 mit Gesamtgewichten von 2,5 bis 3,5 Tonnen an den Start geht. Die markanten Kurzhauber – bald auch um eine Variante mit 4,6 Tonnen Gesamtgewicht erweitert und später in Düsseldorf gefertigt – erleben eine Produktionszeit von 18 Jahren und setzen bis in die Mitte der 1990er Jahre hinein Maßstäbe. Beim Design spielen sie mit ihren abgeschrägten Seitenfenstern gar den Vorreiter für das gesamte Lkw- und Transporterprogramm.

Die besondere Betonung der Marke ist mit Bedacht gewählt. Stärker denn je soll die neue, extrem vielseitig konzipierte Baureihe TN bei Fahr- und Bedienungskomfort die Brücke zum Pkw schlagen.
Die Globalisierung im heutigen Sinn nimmt damals ihren Anfang und drückt in gewisser Weise auch der neuen Transporterreihe ihren Stempel schon auf. Breiter als in jeder anderen Fahrzeugklasse ist der Anwendungsbereich der im Werk Bremen produzierten und folglich schnell als "Bremer" titulierten Transporter gefasst. Diese Fahrzeuge haben sich als großräumiger Personenwagen, vielsitziger Kombi oder Omnibus ebenso zu bewähren wie als Wohnmobil, Kranken- oder Rettungswagen oder als Lastenesel in Form von Kastenwagen, Pritschenfahrzeug oder Kipper.

Breit gefasstes Spektrum

Breiter als bei den meisten anderen Fahrzeugkategorien ist zudem das geographische Spektrum ihres Einsatzes gefasst. Im europäischen Großstadtverkehr sollen sie ebenso souverän mitschwimmen wie als Eilbote auf den internationalen Transportmagistralen Europas, müssen zugleich aber auch holprigen Schlechtwegstrecken auf den Exportmärkten bis hin nach Übersee gewachsen sein. Exakt 252 serienmäßig ab Werk lieferbare Varianten bilden den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den die Ingenieure diese Postulate bei der Vorstellung des Fahrzeugs im Jahr 1977 bringen.

Als weitere Tugenden verlangt das Lastenheft von der neuen TN-Reihe mit den Typen 207 und 307 D sowie 208 und 308 aber außerdem hohe Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit, Wartungs- und Reparaturfreundlichkeit sowie eine rationelle Fertigung, zu der eben auch eine zusätzliche Eignung für CKD-Montage (completely knocked down) zählt. Es zahlt sich aus, dass die Entwickler die nötige Zeit für diese schwierige Aufgabe investiert haben: Die neuen Transporter machen zum Beispiel bald dadurch von sich reden, dass ihnen Kinderkrankheiten so gut wie fremd sind.
 
Aus gutem Grund hat Daimler-Benz bei der später auch gern "T1" genannten neuen Transporterreihe Abschied von der vorher praktizierten reinen Frontlenkerbauweise sowie von Vorderradantrieb und Rahmenkonzept genommen. Weit stärker ausgeprägt als bei den 1967 vorgestellten und in Düsseldorf produzierten Großtransportern L 406 D und L 408 gehört eine Kurzhaube zu den Charakteristika der leichten Bremer Transporter, die in zweierlei Hinsicht von dieser Bauweise profitieren: Zum einen ist es dadurch möglich, den Einstieg hinter der Vorderachse zu postieren und somit bequem niedrig zu halten. Zum anderen erleichtert die Kurzhaube alltägliche und weniger alltägliche Arbeiten am Fahrzeug enorm. Statt umständlichen Hantierens im Inneren des Wagens genügt es bei den Kurzhaubern, für die Kontrolle von Öl, Wasser und Bremsflüssigkeit ganz einfach die Klappe vorn zu öffnen.

Leichtes Spiel für die Mechaniker

Auch die Mechaniker in der Werkstatt haben mit dieser Konstruktion bis hin zum Motorwechsel leichtes Spiel: "Sollte einmal ein Motortausch notwendig werden", weist ein Prospekt von 1977 dezent auf diesen Vorteil hin, "reduziert die günstige Vorbaukonstruktion die Montagezeit ganz erheblich." Natürlich lässt sich Daimler-Benz die Gelegenheit nicht entgehen, die Haubenbauweise zugleich in ein Plus an passiver Sicherheit umzumünzen: Energieverzehrend ist der Vorbau ausgeführt und verschafft der TN-Reihe damit eine Knautschzone, wie sie kein anderer Transporter jener Zeit aufweisen kann.

Aus Fahrer- und Beifahrersicht ist der Motor unter der Haube aber auch deswegen besonders gut aufgehoben, weil er damit keinen Platz im Innenraum wegnimmt: Problemlos gestaltet sich im Bremer Transporter der Durchstieg zur Seite sowie im Kastenwagen der Turn nach hinten in den Laderaum.

Auch für die Rückkehr zum klassischen Hinterachsantrieb sprechen mehrere Gründe, schließlich braucht ein Nutzfahrzeug Traktion. Und die ist eben im Zweifelsfall am besten dort, wo auch die Ladung ihren Platz hat und das meiste Gewicht auf die Achse drückt: hinten also. Aus wirtschaftlicher Sicht empfiehlt sich der Hinterachsantrieb per Kardanwelle auch deswegen, weil Daimler-Benz bei dieser Bauweise ohne weiteres auf die in Großserie hergestellten Schalt- und Automatikgetriebe zurückgreifen kann. Und schließlich stellt das neue, selbsttragende Karosseriekonzept (Verbundbauweise des Rahmens mit dem Kastenaufbau) sicher, dass die Ladekante trotz Hinterachsantrieb das gewünschte niedrige Niveau erreichte.

Markantes, aber sachliches Design

Auch das markant, aber sachlich-nüchtern gehaltene Design der neuen Fahrzeuge stellt sich ganz in den Dienst der Funktion. Die vorn nach unten gezogenen Seitenscheiben zum Beispiel nehmen die ansteigende Linie der Motorhaube auf und ermöglichten zugleich beste Sicht zur Seite hin. Die kubische Gestaltung des Laderaums soll so viel Platz wie möglich im maximal 9,6 Kubikmeter fassenden Laderaum schaffen, dessen Kennzeichen praktisch senkrechte Wände und fast eckige Radkästen bilden: Beides macht es dem Fahrer leicht, Pakete sauber zu stapeln.
Charakteristisch für Kombi, Bus und Kastenwagen ist zudem der seitlich hochgezogene Dachrahmen, der dem Ensemble nicht nur einen gewissen stilistischen Pfiff verleiht, sondern auch die Verwendung großer Türen mit einheitlichen Abmessungen ermöglicht. Grundsätzlich reichen die hinteren Flügeltüren bis unters Dach und geben zudem nahezu die gesamte Breite des Laderaums frei: Auch für Ladung sperriger Natur ist der Bremer Transporter bestens gerüstet. Als Sonderausstattung liefert das Werk außerdem seitliche Schiebetüren wahlweise links, rechts oder beidseitig, sowie anstelle der serienmäßigen Doppelflügeltür am Heck mit 90° bis 180° Türöffnungswinkel ein Pendant mit 270° Öffnungswinkel.

Üppigen Komfort bietet auch der Fahrerarbeitsplatz. Serienmäßig stattet Daimler-Benz die neuen Transporter mit einem längs und in der Höhe verstellbaren Fahrersitz aus. Hinter dem dick umschäumten Zweispeichen-Volant liefert die gut einsehbare und übersichtlich gegliederte Armaturentafel alle nötigen Informationen auf einen Blick. Für beste Sicht nach vorn sorgt die große Frontscheibe mit einem Gesamtblickwinkel von 35°. Heizung und Lüftung können sich eines zweistufigen Gebläses bedienen, das Viergang-Synchrongetriebe arbeitet weich und exakt. Die neue Kugelumlauflenkung verrichtet ihren Dienst ebenso leicht wie präzise, und der Wendekreis lässt mit nur 10,9 Metern gar manchen Pkw vor Neid erblassen. Das Werk nimmt den Mund nicht allzu voll, als es den Kunden verspricht: "Wenn Sie den neuen Mercedes-Transporter fahren, werden Sie sich wie im Pkw fühlen."

Kräftige Motoren, fünf Schaltstufen im Getriebe

Kräftige Motoren tun das ihre, dem Fahrer die Arbeit hinterm Steuer so leicht wie möglich zu machen. Zur Wahl stehen zwei, bereits vielfach bewährte Vierzylinder: Ein durchzugsstarker, laufruhiger 2,4-Liter-Dieselmotor mit einer Leistung von 48 kW sowie ein 63 kW starker Benziner mit 2,3 Liter Hubraum, der niedrig (8:1) verdichtet ist und sich somit mit Normalbenzin begnügt. Zu diesen zwei Motoren gesellt sich mit der Einführung der 4,6-Tonnen-Variante 407 D im Jahr 1981 eine auf 53 kW erstarkte Version des 2,4-Liter großen Vorkammerdiesels OM 616, mit der das Werk ab 1982 dann auch die Fahrzeuge zwischen 2,5 und 3,5 Tonnen Gesamtgewicht ausstattet.

Wahlweise steht ab 1982 zudem für alle Gewichtsklassen der neue Fünfzylinder OM 617 mit 3,0 Liter Hubraum zur Wahl, der es auf eine Leistung von 65 kW bringt. Auch beim Benziner klettert die Leistung: 70 kW mobilisiert der Vergasermotor M 102, der ebenfalls ab 1982 in allen Gewichtsklassen verfügbar ist. Mit den neuen Motoren lösen gleichzeitig Fünfganggetriebe die ursprünglichen Viergang-Schaltboxen ab, und auch eine Viergang-Automatik gibt es ab dieser Zäsur.

Solchermaßen auf der Höhe der Zeit gehalten, machen sich die Bremer Transporter gut. Allein bis 1986 hat sich die Zahl der verkauften Einheiten knapp an die Marke von einer halben Million verkaufte Einheiten herangepirscht. Nur tragen sie die Bezeichnung "Bremer" zu diesem Zeitpunkt streng genommen schon nicht mehr zu Recht, da der Konzern die Produktion der TN-Reihen bereits in den Jahren 1983 und 1984 endgültig zur Fertigung der Großtransporter nach Düsseldorf verlegt hat, um das ehemalige Borgward-Werk in Bremen für die Pkw- und Kombiwagen-Produktion nutzen zu können. Schon ab 1980 hat das Werk Düsseldorf den T1 parallel zu produzieren begonnen.
 
 

 

 

 

 

 

 

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