Der auf der Techno Classica ausgestellte Benz Prinz-Heinrich-Wagen ist eines von weltweit nur zwei Fahrzeugen, welche die mehr als 100 Jahre seit ihrem ersten Renneinsatz originalgetreu überlebt haben. Der Benz Spezial-Tourenwagen aus dem Jahr 1910 in dunkelgrüner Lackierung und mit der Startnummer 38 auf der Motorhaube kommt direkt aus der Sammlung von Mercedes-Benz Classic in Stuttgart. Zehn Benz-Renntourenwagen wurden eigens für die Prinz-Heinrich-Fahrt 1910 neu konstruiert und waren ihrer Zeit technisch weit voraus. Das Fahrzeug aus der Sammlung von Mercedes-Benz Classic kommt bei der Prinz-Heinrich-Fahrt 1910 auf dem 11. Platz ins Ziel, danach startet es noch im selben Jahr auch zur Zar-Nikolaus-Tourenfahrt. Den modifizierten Motor, den der Rennwagen für diesen Wettbewerb in Russland erhält, hat das Fahrzeug heute noch.
Prinz Heinrich von Preußen, der automobilbegeisterte Bruder des deutschen Kaisers, stiftete im Juli 1907 einen Wanderpreis für eine große internationale Tourenfahrt, die sich an die Herkomer-Konkurrenzen der Jahre 1905 bis 1907 anschließen und ab 1908 ausgetragen werden sollte. Damit wurden die "Prinz-Heinrich-Fahrten" ins Leben gerufen, deren erklärtes Ziel die Vervollkommnung des Tourenwagens und die Förderung der Automobiltouristik war. Allerdings gab es auch Prüfungen, die eindeutigen Renncharakter hatten. Das Reglement der beschränkte die Teilnahme auf viersitzige Vier- oder Sechszylinderwagen, die zur Fahrt auf öffentlichen Straßen zugelassen waren und am Tag der Abnahme mindestens 2000 km Laufleistung aufweisen mußten.
Die erste Veranstaltung wurde vom 9. - 17. Juni 1908 über eine Distanz von 2201 km gefahren und führte von Berlin über Stettin, Kiel, Hamburg, Hannover, Köln und Trier nach Frankfurt. An den Start gingen 129 Teilnehmer Sieger wurde Fritz Erle auf einem Benz 7,5 l Spezial-Tourenwagen mit nominell 50 PS. Benz war mit insgesamt elf Fahrzeugen beteiligt, die eine Nennleistung von 25, 50 oder 75 PS aufwiesen.
108 Teilnehmer, davon acht Benz bei der zweiten Prinz-Heinrich-Fahrt
Nach der ersten Prinz-Heinrich-Fahrt wurde von Seiten der beteiligten Amateurfahrer wie auch von Fachpresse und interessiertem Publikum bedauert, daß fast alle Preise von sogenannten Fabrikfahrern auf Spezial-Tourenwagen gewonnen wurden. Im Reglement für die Prinz-Heinrich-Fahrt des Jahres 1909 ging man auf diese Kritikpunkte ein, indem man unter anderem ein Handicap für Industriefahrer sowie sehr genaue Bestimmungen hinsichtlich der Karosserie der Teilnehmerfahrzeuge einführte.
Die zweite Prinz-Heinrich-Fahrt wurde vom 10. - 18. Juni 1909 über eine Distanz von 1858 km auf der Strecke Berlin - Breslau - Tatra-Lomnicz - Wien - Salzburg - München ausgetragen. Es starteten 108 Teilnehmer, davon acht Benz Spezial-Tourenwagen mit einer Nennleistung von 20 PS. Sieger in der Gesamtwertung wurde Wilhelm Opel auf Opel, für den bestplazierten Benz, gesteuert von Edward Forchheimer, reichte es nur zum vierten Platz.
1910 beteiligte sich Benz mit zehn vollkommen neu konstruierten Spezial-Tourenwagen
Nachdem die Idee des Handicaps für Fabrikfahrer einige Mißstimmung verursacht hatte, hatte man diesen Passus für die dritte Prinz-Heinrich-Fahrt von 1910 wieder aus dem Reglement gestrichen. Die Veranstaltung wurde vom 2. - 8. Juni 1910 über 1945 km auf der Strecke Berlin - Braunschweig - Kassel - Nürnberg - Straßburg - Metz - Homburg v.d.H. gefahren. Benz beteiligte sich mit zehn vollkommen neu konstruierten Spezial-Tourenwagen, davon vier mit 5,7 l und sechs mit 7,3 l Hubraum. Im Gegensatz zu den Benz Prinz-Heinrich-Wagen der Vorjahre waren die Fahrzeuge von 1910 mit Kardanantrieb ausgerüstet und hatten eine aerodynamisch optimierte Karosserie mit einem charakteristischen Spitzheck. Wie schon 1909, endete die Prinz-Heinrich-Fahrt für Benz auch 1910 nicht mit dem erhofften Sieg, und der bestplazierte Benz, ein von Fritz Erle gesteuerter 5,7 l-Wagen mit 80 PS, landete hinter drei Austro-Daimler und einem Opel auf Platz fünf.
Für den 7,3 l-Tourenwagen hatte die Firma Benz & Cie. ihren ersten Motor mit Vierventiltechnik konstruiert. Die konstruktiven Details dieses Fahrzeugs sind besonders gut dokumentiert, da einer der Wagen im Jahre 1911 im Laboratorium für Kraftfahrzeuge an der Technischen Hochschule Berlin eingehend untersucht und die Resultate anschließend publiziert wurden. Auf dem Leistungsprüfstand der Hochschule wurden eine größte Motor-Nutzleistung von 104 PS bei 2050 /min und ein besonders hoher Betriebswirkungsgrad gemessen. Die Zusammenfassung der Meßergebnisse stellt fest: "Die Benz-Werke sind auf Grund ihrer reichen Rennerfahrungen fast bis an die Grenze des Erreichbaren gegangen und haben insbesondere den Eigenverlust auf das für die heutige Entwicklungsstufe des Motorbaus erreichbare Minimum gebracht." Trotz dieser fortschrittlichen Motorenkonstruktion belegte der bestplazierte 7,3 l-Wagen mit Arthur Henney bei der Prinz-Heinrich-Fahrt nur den achten Platz. Der von Fritz Erle gesteuerte 5,7 l-Wagen erreichte Platz fünf. Die meisten Benz Prinz-Heinrich-Wagen der Jahre 1908 bis 1910 wurden auch nach ihrem eigentlichen Verwendungszweck noch bei Rennen und Tourenfahrten eingesetzt und anschließend an sportlich ambitionierte Privatleute verkauft.
Der erste echte Sportwagen?
Der vor Kurzem von Mercedes-Benz Classic in den Originalzustand restaurierte dunkelgrüne Benz Spezial-Tourenwagen mit der Rennnummer 38 wird von vielen Automobilhistorikern als der erste echte Sportwagen eingeordnet.
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